"Was der Erlösung dient"


Bezirksdechant Pfr. Dr. Dr. Wolfgang Wünsch, Petersdorf b. M.

Ein ganz herzlicher Gruß für die Woche, die mit dem Vorletzten Sonntag im Kirchenjahr beginnt. Wir überbringen Ihnen heute die Predigtgedanken von Pfarrer Dr. Dr. Wolfgang Wünsch aus Petersdorf bei Mühlbach. Wir tun das im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, von Jesus Christus und dem Heiligen Geist, unserm HERR. Amen. Das Predigtwort steht aufgeschrieben: Lukas 16, 1-9:

1 Er sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. 2 Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. 3 Da sprach der Verwalter bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. 4 Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. 5 Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? 6 Der sprach: Hundert Fass Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig. 7 Danach sprach er zu dem zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig. 8 Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts. 9 Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.

Soweit das Wort der Heiligen Schrift. Der HERR segne dieses Wort an Euren Herzen und Sinne. Amen.

Liebe Brüder und Schwestern, liebe Gemeinde, liebe Leser und Leserinnen!

Das eben vernommenen Predigtwort ist auch als Gleichnis vom ungerechten, ungetreuen oder unehrlichen Verwalter bekannt. In der unrevidierten Lutherbibel steht übrigens als Überschrift: „Vom Missbrauch des Reichtums“. Natürlich stellt sich da sofort die Frage, wie damit umzugehen sei, zumal es ja wohl der HERR selbst ist, der den ungerechten, ungetreuen bzw. unehrlichen Verwalter lobt. Das Problem wird dann dadurch noch einmal unterstrichen, dass wir jetzt durch jene ernste Periode des Kirchenjahres gehen, wo es wesentlich um Rechenschaftslegung, Lebensbilanz und den Gedanken an das Jüngste Gericht geht. Die hohe Landeskirchenversammlung wird in Kürze über Kirchenrechnung, Haushaltsvoranschlag und Rechenschaftsberichte über das zu Ende gehende Kirchenjahr beschließen und was machen wir da mit so einem Loblied eines ungerechten, ungetreuen, unehrlichen Verwalters, noch dazu aus dem Munde unseres HERRN? Das ist schon reichlich provokativ. Wir wollen den Sinn der Provokation verstehen.

Ein erster Schritt besteht darin, dass wir den unmittelbaren Zusammenhang genauso ernst nehmen wie das eben verlesene Schriftwort. Und dann ist vollkommen klar: „Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu; und wer im Geringsten ungerecht ist, der ist auch im Großen ungerecht.“ Jesus singt weder hier noch anderswo ein Loblied auf Untreue, Unehrlichkeit oder Ungerechtigkeit. Wir müssen genauer hinhören.

Ein zweiter Schritt, der uns wesentlich weiter bringt, besteht darin, dass wir uns näher ansehen, was vor und was nach unserem Schriftwort steht. Unmittelbar davor befindet sich nämlich das Gleichnis vom verlorenen Sohn und unmittelbar danach das Gleichnis vom Reichen, der in der Hölle gelandet ist. Das erste Gleichnis stellt uns vor Augen, wie barmherzig unser himmlischer Vater ist, der sich eben darüber freut, dass der verlorene Sohn nach Hause zurückkehrt und ein neues Leben beginnt. Und wir wissen ja, dass sich im Himmel ja auch die Engel über jeden Sünder freuen, der umkehrt und Buße tut. Und das zweite Gleichnis stellt uns vor Augen, dass es trotzdem überhaupt nicht egal ist, was wir mit unserm Leben machen und wie wir mit dem umgehen, was uns anvertraut ist.

Ein dritter Schritt lenkt unsere Aufmerksamkeit wieder auf das eigentliche Schriftwort. Dann wird klar, was der Sinn dieses Gleichnisses vom untreuen Verwalter ist und worin nun die eigentliche Provokation besteht. Es fällt nämlich auf, dass Jesus das Verhalten des Verwalters mit einem Satz aufnimmt, der auf etwas ganz anderes zielt als die - durchaus lobenswerte - weltliche Klugheit geschickter Geschäftsleute. Er sagt: „Die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts. Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.“

Hier ist gesagt, dass der ungerechte Mammon vergänglich ist, dass er einmal zu Ende geht. Niemand kann vom irdischen Reichtum etwas in die andere Welt mit hinübernehmen. Das bringt mit aller Deutlichkeit auch das unmittelbar folgende Gleichnis vom namenlosen Reichen und dem armen Lazarus zum Ausdruck. Der Reiche landet in der Hölle, und der arme Lazarus, der zu Lebzeiten vor der Tür des Reichen lag, hat die Seite gewechselt und ist zur Wohnstatt aller Glückseligen gelangt, wo es nicht Schmerz, nicht Trübsal noch Klage, sondern unendliches Leben gibt.

In unserm heutigen Gleichnis aber fordert uns Jesus auf, dass wir uns „Freunde machen mit dem ungerechten Mammon, damit sie uns aufnehmen in die ewigen Hütten.“ Das Ziel, das Jesus benennt, heißt also: die ewigen Hütten, genauer: aufgenommen zu werden in die ewigen Hütten. Das ist offensichtlich nicht einfach ein Automatismus, auch kein ein Verschmelzen mit dem Unendlichen, auch kein Verbrennen des Ich. Und es ist auch absolut keine Vertröstung auf ein Leben nach dem Tod, wie das die marxistische Sicht der christlichen Religion behauptet hat. Sondern es ist zuerst ein Hinweis, was hier und heute, eben in diesem irdischen Leben wichtig ist. Und dann erst geht es um das ewige Leben, um das, was bleibt, was wirklich bleibt. Dabei wird allerdings ziemlich schnell deutlich, dass das Ziel, „in die ewigen Hütten aufgenommen zu werden“, unser ganzes irdisches Leben – schon hier und heute - prägen und bestimmen soll. Und ich glaube, dass hier die eigentliche Provokation unseres Predigtwortes liegt, weil das eben auch unser ganzes kirchliches Denken und Handeln betrifft. Jesus sagt irgendwo: „Seid klug wie die Schlangen und sanft wie die Tauben.“

Der entscheidende Punkt ist sozusagen die Herausforderung, immer und in allem dieses Ziel vor Augen zu behalten, gerade auch dann, wenn es nicht so geht, wie wir das gerne hätten. Das setzt eine Menge Pragmatismus, Geduld und Leidenssinn voraus, ist aber etwas ganz anderes als Beliebigkeit. Das Leben eines Christenmenschen bewegt sich ja immer zwischen den zwei Polen, die wir mit dem Doppelgebot der Gottes- und der Nächstenliebe benennen.

Der heilige Apostel Paulus hat das sehr klar gesehen und präzise formuliert. In seinem Brief an die Philipper spricht er vom Ziel, von seiner himmlischen Berufung, seiner persönlichen Erfahrung: „Ich vergesse, was dahinten ist und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.“

Paulus spricht von seinem Wunsch und seiner Sehnsucht, schon jetzt ganz bei Christus zu sein, aber ebenso auch von seiner Verantwortung seinen Zeitgenossen und den Gemeinden gegenüber. Beides gehört zusammen, weil uns im Nächsten letztendlich eben auch Gott begegnet. Denn wir werden gefragt, wie wir mit unserm Nächsten umgegangen sind. Wir machen uns etwas vor, wenn wir das abstreiten, leugnen oder nicht zur Kenntnis nehmen.

Trotzdem geht das Gebot, Gott über alle Dinge zu fürchten, zu lieben und zu ehren, gerade nicht in dem Gebot der Nächstenliebe auf. Im Gleichnis vom verlorenen Sohn kehrt der verlorene Sohn ins Haus seines Vaters zurück und trifft und dann dort auf seinen Bruder, der zu Hause geblieben ist. Die Frage ist, wie der ‚verlorene Sohn‘ seinen ‚zu Hause gebliebenen Bruder‘ gewinnt. Unter den Bedingungen von Quarantäne und und den vielfältigen Arten der Isolation ist das eine Frage, die uns noch einmal in besonderer Weise alle etwas angeht. Amen. 

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.