"Von Dämonen und finsteren Mächten"


Pfr. Kurt Boltres

Die schriftliche Predigt für den 4. Oktober 2020 - das ist der 17. Sonntag nach Trinitatis - kommt wieder aus dem Kirchenbezirk Kronstadt. Pfarrer Kurt Boltres, zuständig für die burzenländischen Gemeinden Rosenau und Honigberg, hat uns seine geistlichen Gedanken zu Mk. 9,17-27 zur Verfügung gestellt.

Lied: EG. 34,1-6

Tagespsalm: Nr. 138,1-8 „Dank für Gottes Hilfe“

Gebet: Allmächtiger Herr und Gott, der Vater, der Sohn und der Heiliger Geist. Du bist der Not aller Menschen entgegengetreten und stehst denen bei, die in Bedrängnis zu dir schreien. Doch wir versinken in unserem Kleinglauben und vergessen oft, daß du unser Herr und Retter bist. Wir bitten dich: schau unser Elend an und hilf uns. Wir verlangen nach deiner Nähe. Richte du uns darum auf. Wir rufen dich an: Herr erbarme dich unser!

Wir lesen Gottes Wort bei Markus – Mk. 9,17-27:

17Einer aber aus der Menge antwortete: Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist. 18Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn; und er hat Schaum vor dem Mund und knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich habe mit deinen Jüngern geredet, dass sie ihn austreiben sollen, und sie konnten’s nicht. 19Er aber antwortete ihnen und sprach: O du ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn her zu mir! 20Und sie brachten ihn zu ihm. Und sogleich, als ihn der Geist sah, riss er ihn. Und er fiel auf die Erde, wälzte sich und hatte Schaum vor dem Mund. 21Und Jesus fragte seinen Vater: Wie lange ist’s, dass ihm das widerfährt? Er sprach: Von Kind auf. 22Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, dass er ihn umbrächte. Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns! 23Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst – alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. 24Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem Unglauben! 25Als nun Jesus sah, dass das Volk herbeilief, bedrohte er den unreinen Geist und sprach zu ihm: Du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in ihn hinein! 26Da schrie er und riss ihn sehr und fuhr aus. Und der Knabe lag da wie tot, sodass die Menge sagte: Er ist tot. 27Jesus aber ergriff ihn bei der Hand und richtete ihn auf, und er stand auf.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde,

was mich an dieser Begebenheit mit Jesus aufhorchen ließ und auch nachdenklich machte waren die Worte von Vers 17-18 „Einer aber aus dem Volk antwortete: Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist. Und wo er ihn erwischt, so reißt er ihn;  und er schäumt und knirscht mit den Zähnen und wird starr“.

Ich weiß nicht, wie viele Leute von uns Erfahrung mit epileptisch kranken Menschen gemacht haben. Denn das was hier im Bibeltext beschrieben wird, sind exakte Symptome einer epileptischen Situation. Genauso, wie beschrieben, ereignet sich nämlich der epileptische Anfall eines Kranken. Ich habe solche Anfälle einige Male erlebt. Ein Ereignis blieb mir jedoch in eingeprägter Erinnerung. Als ich Schüler der Honterusschule war und pendelte, begab es sich, dass auf der Heimfahrt im Autobus ein älterer Mann, der neben mir stand, plötzlich, wie vom Blitz getroffen umfiel, am ganzen Körper zitterte, vibrierte und auch schäumte.  Der ganze Autobus war in Aufregung. Der Schofför musste anhalten. Die Leute schrien durcheinander. Der eine sagte: kneift ihn in die Seite, der andere: knickt ihm den kleinen Finger, ein dritter: zieht ihn an den Haaren, ein vierter: gebt ihm eine Ohrfeige. Ich sage euch: lauter kluge Anordnungen, jedoch niemand konnte richtig helfen. Erst als der Mann seine Krise überstanden hatte, konnte der Bus in Ruhe weiter fahren.

Wir wissen heute, dass gegen eine epileptische Krise noch kein Kraut gewachsen ist. Wir wissen auch, dass mit epileptisch kranken Menschen vorsichtig umgegangen werden muss. Und wir wissen auch, dass im Gegensatz zu den Menschen vor 2000 Jahren, diese Krankheit weder vererblich, noch ansteckend, noch umweltbedingt ist. Die Medizin kann heute die Epilepsie nicht kontrollieren, nicht behandeln und nicht überwinden. Doch im Volksglauben und an der Basis der menschlichen Lebenseinstellung liegt die Ursache dieser Krankheit noch immer bei den Dämonen.

Und da kommen wir zum heutigen Predigttext. Ein „sprachloser Geist“ beherrscht diesen jungen Mann. Er reißt ihn und wirft ihn  nieder. Das ist nicht ein Gespenst, oder gar der Teufel, oder ein Monster, oder ein Kobold, - sondern ein sprachloser Geist.

Der italienische Maler Giotto hat faszinierendes ein Bild gemalt. Er hat es im Jahr 1299 gemalt und es gehört zu einer Reihe von Fresken über das Leben des Kirchenvaters Franz von Assisi. Zu sehen ist eine Szene des  Exorzismus: Die toskanische Stadt Arezzo wird hier dargestellt. Man erkennt eine große gotische Kirche in der linken Bildhälfte. Rechts sieht man die Stadtmauer mit Türmen und Toren. Zwei wohlhabende Kaufleute oder Adelige sind im Begriff, die Stadt zu verlassen. Hinter der Stadtmauer sind die Dächer und Türme von Arezzos zu sehen. Und über den Dächern schweben, besser gesagt, entschwinden lauter geflügelte Gestalten: Dämonen sollen es sein - dicke und dünne, helle und dunkle, unangenehm und Furcht einflößende Wesen.

Und vor der Stadtmauer kniet links im Bild der heilige Franziskus. Er trägt eine Kutte, wie sie die Ordensleute des Franziskanerordens tragen. Sein Ordensbruder Sylvester steht vor ihm und blickt in Richtung der Stadt. Durch seinen erhobenen rechten Arm vertreibt Franziskus die Dämonen aus der Stadt.

Liebe Gemeinde, Dämonenaustreibungen, Exorzismen, wie man auch sagt, haben eine lange Tradition. Man kennt sie in allen Kulturen und auch in allen religiösen Traditionen. Wenn Menschen oder Tiere von einem Dämon heimgesucht wurden, sprach man früher von Besessenheit. Der ist vom Teufel besessen. Selbst die Trudden, die Hexen unserer sächsischen Dörfer, konnten Vieh und Milch verzaubern und wurden mit der dämonische Welt in Verbindung gebracht. Das berichten viele Märchen und Sagen aus Siebenbürgen.

In der Medizin wird das Verhalten eines "Besessenen" heute als eine psychische Störung gedeutet und nicht nur als eine Krankheit. Zu biblischen Zeiten hingegen, also vor tausenden von Jahren, wurden viele Krankheitsbilder, die man sich nicht erklären konnte, eben auf Dämonen zurückgeführt, daher galt auch die Epilepsie als eine von einem Dämon ausgelöste Krankheit.

Jesus Christus besaß jedoch diese Fähigkeit, Dämonen auszutreiben. Er war doch Gottes Sohn. An vielen Stellen im Neuen Testament wird davon berichtet: Es fahren die unreinen Geister aus dem besessenen Ort der Gerasener in eine Herde Schweine (Markus 5,1-20); es wird ein Besessener zu Jesus gebracht, der blind und stumm ist, und Jesus heilt ihn (Matthäus 12,22-24); es bringt ein Vater seinen Sohn zu ihm, der von einem Geist hin und her gerissen wird (Markus 9,14-29). Sogar seinen zwölf Aposteln trägt Jesus auf, böse Geister auszutreiben (Markus 6,7-13). Die Pharisäer werfen Jesus vor, dass er mit dem Teufel im Bunde sei. "Er treibt die bösen Geister aus durch Beelzebub, ihren Obersten." (Lukas 11,15), sagen sie. Jesus selbst deutet seine Fähigkeit als Zeichen der Nähe des Reiches Gottes. Die Evangelisten machen mit den Dämonengeschichten aber noch etwas anderes deutlich: Dadurch, dass Jesus über die Dämonen herrscht, weist er sich als Gottes Sohn aus: Denn noch weniger als ein Mensch kann ein Dämon die Nähe Gottes aushalten. So werden die Dämonen zu Zeugen dafür, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Davids, der Heiland.

Heute sagen wir: Dämonen sind Mächte, über die wir wenig oder gar nichts wissen. Dämonen sind Dinge, die große Macht über uns haben - und wir wundern uns dann gelegentlich und fragen uns selbst:  Wie konnte das passieren ? Wie konnte mir das passieren ? Für die Menschen früher war das eine vollständige Bedrohung ihres Lebens. Es gab kaum Hilfe, und es gab einfach keine Erklärung, warum etwas solche Macht über einen Menschen bekommt, dass es ihn "zerreißt", wie Markus das in der Bibelgeschichte dieses Sonntags erzählt. Oder wie der Vater sagt: Dass es den Jungen "mit Schaum vor dem Mund" ins Feuer oder ins Wasser wirft. Und wenn man früher nicht mehr weiter wusste, half man sich mit dem "Teufel" oder einem "Dämon".

Auf dem Bild von Giotto wird eine ganze Stadt von Dämonen befreit. Franz von Assisi sah die Stadt Arezzo von Dämonen besessen, als sie in einen Bürgerkrieg verwickelt wurde. Vielleicht war in dieser Zeit für die Bürger Arezzos das Wichtigste ihr Geld und ihr wirtschaftlicher Erfolg. Vielleicht vergaßen sie, sich um die Armen zu kümmern, und schenkten den Reichen umso voller ein. Vielleicht waren sie auch getrieben von Neid und Eifersucht aufeinander.

Vielleicht wollten sie auch einfach zu hoch hinaus und vergaßen dabei das Gebet und den Dank, die Fürbitte und die Liebe, und verstrickten sich stattdessen im Kampf gegeneinander. Vielleicht waren es diese Dämonen, die Franziskus in Arezzo am Werke sah. Und vielleicht konnte er durch sein Gebet die Stadt wieder zu solcheiner machen, in der Gott verherrlicht, Jesus Christus gedankt und die bösen Geister durch den heiligen Geist ausgetrieben wurden. Das alles ist möglich, denn die Legende über dieses Wunder verschweigt uns nähere Einzelheiten.

In unserem evangelischen Glauben, der in dem letzten Jahrhundert sehr durch den Rationalismus geprägt wurde, haben die Dämonen wenig Platz. Und auch die Epilepsie wird nicht mehr als ein Produkt menschlichen Versagens angesehen, oder gar als Folge eines sündhaften Verhaltens, sondern diese Krankheit, wie auch andere psychische Schäden werden dem Zufall zugeordnet. Einfach dem Zufall genetischer Kombinationen zugeschrieben. Das leuchtet uns aufgeklärten Menschen mehr ein.

Meine Erfahrung sagt mir jedoch, dass bei manchen Menschen doch der Teufel dem Zufall die Koordinaten gegeben hat, dass es sich zugetragen hat, dass gerade dieser Mensch so besessen drauf ist Böses zu verbreiten. In der Nachbarschaft meines Elternhauses wohnte eine Frau, die wir Funkstation nannten. Sie hatte während des Krieges einen deutschen Soldaten kennen gelernt. Dieser zog mit der Wehrmacht weg, oder er war gefallen, aber das Resultat dieser kurzen Liebschaft war ein Sohn. Sie selber war eigentlich unverheiratet geblieben. Aber ein Mundwerk hatte diese Frau; - sowas kann man nicht beschreiben. Sie wusste über alles Bescheid und redete sehr viel. Aus purem Neid heraus oder aus Bosheit, war sie auch eine Expertin im Verbreiten von Neuigkeiten und Gerüchten. Viele Leute fühlten sich gekränkt und gingen ihr aus dem Wege, sie jedoch merkte das gar nicht. Jeden hielt sie auf der Straße an und sagte: hast du gehört ? Sie war auch eine Negativistin durch und durch, und verdunkelte oder schwärzte absichtlich die Wahrheit. Das war eine Besessenheit die einem Psychopaten gleicht. Und leider kann man diese Charaktere auch heute noch unter einigen Gemeindegliedern antreffen. Ich habe dies selber erlebt. Ich wünsche niemandem in die Tretmühle eines solchen Psychopaten zu kommen. Da hilft nur eines: die Hoffnung, die Zuversicht und das Gebet … und natürlich ein Wunder, nicht wie einer meiner Freunde gesagt hat: eine Kugel. So weit wollen wir nicht gehen.

Bosheit, Hass und Sünde gehören auch zu den Charakterzügen des Menschen. Jesus hat in unserer biblischen Geschichte diesem allem den Glauben entgegen gestellt. „Ich Glaube, hilf meinem Unglauben“ – ruft der verzweifelte Vater des epileptischen Sohnes. Und Jesus sagt: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt !“ In diesem einzigen Wort steht die Hilfe für solche Fälle. Und dieses Wort hat auch mir geholfen alle Gefahren und Trübsale zu überwinden. Denn ein fester Glaube kann Berge versetzen. Ein fester Glaube kann Unglück in Glück verwandeln, kann Hass in Liebe umwandeln und kann von der Sünde zur Seligkeit führen. Was ist uns lieber denn Hoffnung, Frieden und Liebe, aber die Liebe ist das Größte. Sie birgt Glauben und Zuversicht in sich. Das möchte und die heutige biblische geschichte vermitteln. Dafür bietet sich Jesus Christus, unser Heiland an. 

Amen.

Lied: EG: 357,1-5

Gebet: Wir danken dir, allmächtiger Gott und himmlischer Vater, für dein unermessliches Opfer. Herr Jesus Christus, du hast den Kampf gegen die Mächte der Finsternis siegreich bestanden und den Tod überwunden. Du befreist uns von Angst vor aller Ungewissheit und seelischer Krankheit. Du wandelst sie in getroste Zuversicht. Stärke in uns den Glauben an deine Barmherzigkeit und mache uns fest in der Gewissheit, daß wir für immer mit dir verbunden sind.

Wir bitten dich für deine Kirche auf Erden, für unsern Bischof und für die Prediger des Wortes Gottes, wie auch für die vielen Helfer in unseren Gemeinden. Gib Freude und Mut dein Wort zu verkündigen, deine Wahrheit zu lehren und deiner Gemeinde zu dienen. Erinnere alle Christen an das große Heil in Jesus Christus. Mach es möglich, dass alle Menschen im Glauben zueinander finden, einander helfen und wie Brüder in Christus zu leben. Lenke die Regierenden der ganzen Welt, dass sie sich für den Frieden in der Welt einsetzen.

Heute am Tag der lokalen Wahlen bitten wir dich um eine gute Lösung, damit Frieden, Gerechtigkeit und auch Wahrheit in unseren Dörfern und Städten einkehre. Mache es möglich, daß hinfort dem Wohl der Menschen gedacht wird und nicht der Gunst und des eigenen Profites.

Wir spüren, dass es in der ganzen Welt brodelt, dass sich etwas tut, doch nicht zum Guten. Beseitige, Herr, duch deine allmächtige Kraft die vielen Gefahren, die uns bedrohen. Lass auch bald den Tag kommen, da wir endlich aus dieser Gesundheitskrise befreit werden, dass wir uns wieder froh und freudig die Hände reichen können. Hilf den Wissenschaftlern schneller zu einem wirksamen Ergebnis zu kommen.

Wir bitten dich um deinen Segen für die Witwen und Waisen auf der ganzen Welt. Wir bitten dich für Notleidenden, die Bedürftigen, die Kranken und Schwachen in unseren Gemeinden, und auch auf der ganzen Welt. Lass die Menschen zur Vernunft kommen,  um der Gemeinschaft mit neuen Kräften und neuen Erkenntnissen zu dienen. Auch den Sterbenden schenke ein seliges Ende, ein Ende ohne innere Not und argen Schmerzen.

Wir bitten dich um unser tägliches Brot. Gib gute Witterung zur ernte und lass uns in Dankbarkeit die Gaben und Früchte der Erde empfangen.

Wir bitten dich für unsere Verwandten, Bekannten und Freunde, in der Nähe und in der Ferne, ob sie in Schwierigkeiten stecken oder ob sie zufrieden sind. Sei mit ihnen nach deinem großen Willen und deinem wahrhaften Entscheiden.

Sei auch mit den vielen ärztlichen Helfern in dieser Zeit und unterstütze sie in ihrem Einsatz und in ihren Initiativen, damit den Notleidenden und der ganzen Menschheit dadurch geholfen werde. Schenke allen Menschen Mut und Kraft zum wahren Bekenntnis an Jesus Christus.

Wir gedenken vor dir auch der Freunde, die in besonderer seelischer Not stehen. Wir denken an die Freunde, die ihre Not in Alkohol, Medikamenten und Drogen verdrängen wollen und daher Leid und Schmerzen über ihre Familie bingen. Wir wissen  manchmal nicht, wie wir ihnen helfen können  und suchen unendlich lange nach Lösungen. Wir bitten dich, gib uns die rechten Gedanken und Worte zu diesem allgemeinen Problem unter uns, damit wir helfen können. Herr, unser Gott, erhöre unser Gebet.

Wir beten dich an und nennen in der Stille unsere Anliegen, unsere Probleme und auch die Namen derer, die uns besonders am Herzen liegen, mit ihrer Not und ihrer Schwachheit, und bitten dich um deinen Beistand.

Du, Herr, bist unsere Glaubensstärke, unsere Zuvericht und unsere Hoffnung. Dir vertrauen wir und beten dich an, hier und jetzt, sowie in Ewigkeit. Amen.