„Suche Frieden und jage ihm nach!“


Reinhart Guib, Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (EKR)

Die Jahreslosung für dieses Jahr stammt aus Psalm 34. „Suche Frieden und jage ihm nach!“ wurde uns für das neue Kalenderjahr gezogen. Die Praxis der Losungen stammt aus dem Jahr 1728, als Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760), zum ersten Mal einen Bibelspruch für die Mitglieder der Herrnhuter wählte. - Im Folgenden die Gedanken von Bischof Reinhart Guib zur neuen Losung.

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Jahr 2018 können wir mit Recht als ein Jahr der Krisen und der Aufruhr bezeichnen. Die Welt, Europa, unser Land und die Kirchen sahen sich vor große Herausforderungen gestellt. Die großen Weltmächte und manche großtuenden Regionalmächte lieferten sich Schlagabtausche und rüsten auf. Nationalistisch-populistische und unzufrieden rebellierende Gruppierungen brachten, 100 Jahre nach dem Ende des I. Weltkriegs und der Gründung der Nationalstaaten, selbst gestandene Demokratien und Nationen in Europa zum Wanken. Rumänien ist in seiner neueren 100-jährigen Geschichte nie so entzweit wie jetzt. Eine korrupte und rechtsbeugende, intolerante und unverantwortliche, antidemokratische und europafeindliche, menschenverachtende und diktatorische Regierung und Parlamentsmehrheit lässt seine eigenen Diasporarumänen nieder knüppeln, ekelt die eigenen so sehr hier gebrauchten Arbeitskräfte aus dem Land raus, missachtet alle in- wie ausländischen Stimmen die zur Räson rufen, hält ein ganzes Land gefangen, um seine eigene politische Klientel frei zu bekommen und kurzsichtige Wahlgeschenke auszuteilen, in der Hoffnung die Bevölkerung so für sich zu gewinnen. Der eskalierende Höhepunkt steht uns noch bevor. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften im Land wurden mit dem Ehereferendum reingelegt, da es um nicht mehr und nicht weniger ging als der Regierungskoalition Legitimation zu verschaffen. Alle Glaubensgemeinschaften haben dadurch an Ansehen und Akzeptanz, Glaubwürdigkeit und Wohlwollen in der Bevölkerung verloren, ganz gleich ob sie sich dafür oder wie die Evangelische Kirche gegen eine Teilnahme ausgesprochen haben. Auch die Evangelische Kirche selbst wurde seit den Gemeindewahlen vor einem Jahr durchgerüttelt und Unruhe und Streit, Mobbing und Erpressungen, Hartherzigkeit und Unversöhntheit halten manche Gemeinde in Atem.  

Das Wort zum Neuen Jahr 2019 trifft den Nerv der Zeit und kann eine wahre Hilfe und Perspektive sein. Wie der Beter des Psalms 34 im 15. Vers den Menschen von damals aufmuntert: „Lass ab vom Bösen und tue Gutes; suche Frieden und jage ihm nach!“ so hat Gott auch mit uns und unserer krisengeschüttelten und aufgerührten Welt etwas vor. Gerade das, was dieser Welt, Europa, unserem Land, den Kirchen und bei uns selbst fehlt, wird uns hier als Auftrag, ja als Dauerauftrag auf die Fußsohlen geklebt, in die Hände geschrieben, auf den Kopf zugesagt und ans Herz gelegt. Nicht das Böse, sondern das Gute, nicht Streit und Unversöhntheit, sondern „Frieden“ heißt der Wille Gottes für seine über alles geliebten Kinder. Der Friede fängt immer bei mir und mit mir selbst an. Das im Einklang sein mit mir selbst ist der erste Schritt, mit meinem Nächsten der zweite und mit Gott der dritte. Erst dann kann der Herzensfrieden weiter fließen in unsere Häuser, die Gemeinden, unsere Kirche, in  alle Glaubensgemeinschaften, ins Land, nach Europa und weltweit. Auf diesem langatmigen und überraschungsvollen Weg sind wir nicht allein. Kein Geringerer als Jesus Christus geht uns voran und will uns mitnehmen. Lassen wir uns von ihm anregen, von seinen Worten und Taten, seiner Haltung und seinem Leben. Entdecken wir dahinter gemeinsam die größte aller Gaben - die Liebe - die alles trägt und in Gutes, in Frieden und Freude, in Göttliches verwandelt.     

Das Friedensgebet des Franziskus von Assisi kann uns auf unserem Weg durchs Neue Jahr 2019 beim ersten aller Schritte wie bei allen die folgen zur rechten Einstellung verhelfen. Lasst uns gemeinsam beten: 

Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,

dass ich liebe, wo man hasst;

dass ich verzeihe, wo man beleidigt;

dass ich verbinde, wo Streit ist;

dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;

dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;

dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;

dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;

dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.

Herr, lass mich trachten,

nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;

nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;

nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.

Denn wer sich hingibt, der empfängt;

wer sich selbst vergisst, der findet;

wer verzeiht, dem wird verziehen;

und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben. Amen.

Der Friede Gottes welcher höher ist als all unsere Vernunft bewahre uns Herz und Sinne in Christus Jesus, im Jahr des Herrn 2019.