Im meist fotografierten Haus von Hermannstadt


Segenwunsch von Bischof Reinhart Guib (zVg)

Wo tauschen sich orthodoxe, evangelische, römisch-katholische, reformierte und griechisch-katholische Jugendliche untereinander aus? Nein, es ist nicht eine besondere ökumenische Konferenz, sondern es ist der Alltag in dem evangelischen Schülerheim „Ernst Weisenfeld“ in Hermannstadt. Dort geht ein besonderes Schuljahr zu Ende.

Sie haben September 2019 mit großem Schwung begonnen. 56 Schülerinnen und Schüler aus Agnetheln, Schässburg, Mediasch, Michelsberg, Reps, Kronstadt, Sächsisch-Regen und Oberwischau konnten sich in die von ihnen gewünschten Hermannstädter Schulen einschreiben, sei es das Brukenthalgymnasium, das „Onisifor Ghibu“-Lyzeum, oder das „Andrei Șaguna“-Lyzeum, wobei letzteres die einzige Anstalt in Rumänien ist, welche Lehrkräfte in deutscher Sprache ausbildet.

Die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien hält die Hand über diese 56 Schülern und Schülerinnen und macht keinen Unterschied bezüglich der Konfession. Alle dürfen im Heim der Fleischergasse Nr. 13 (dem wegen seinen Karyatiden meist fotografierten Haus von Hermannstadt)  wohnen, alle erhalten sie die Mahlzeiten in der Kantine des Landeskonsistoriums, alle erhalten die gleiche Subvention der evangelischen Kirche, da nicht in eine Konfession, sondern in Menschen investiert wird. Dieser diakonische Dienst geschieht fern der Öffentlichkeit, aber mit genau so großem finanziellen und herzlichen Einsatz wie andere, von denen mehr gesprochen wird. Der finanzielle Einsatz – und hier ein großer Dank dafür – kommt zu wichtigen Teilen über die „Elena-Mureșanu-Stiftung“, die dem Heim seit Jahren treu zur Seite steht.  Im Haus selbst koordiniert Heimleiterin Alexia Tobă das tägliche Leben der Betreuten. Es beginnt mit der allwöchentlichen Montagssitzung mit Lesen der Losung und geht weiter über eine Deutsch-AG und eine Englisch-AG. Organisiert werden müssen auch die Lernstunden, aber auch das pünktliche Heimkommen bis spätestens 23:00 Uhr, da die Heimleiterin in ihrer Verantwortung Stellvertreterin der Eltern ist. Und wieviel informale soziale Interaktion es im Haus gibt, kann sich jeder vorstellen, wenn er sich vor Augen hält, dass es um Heranwachsenden geht! Das alles muss freundlich aber entschieden moderiert werden. Über das Jahr hinweg gibt es sodann unterschiedliche Highlights die das Leben strukturieren, wie die Adventfeier, der Fasching, eine Studienreise oder auch der Empfang beim Bischof zum Schuljahresanfang. Frau Alexia Toba, gefragt nach dem Erfolg des Heimes, sinniert: „Der Erfolg unseres Hauses lässt sich schwer quantifizieren. Wir setzen Samen, deren Früchte wir oft nicht sehen werden. Aber hin und wieder erreichen uns von ehemaligen Schülern positive Rückmeldungen zu ihrem weiteren akademischen und menschlichen Werdegang, die mir Freude und Mut zur Weiterführung der Arbeit machen.“

Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat auch hier einen großen Schnitt gebracht. Alle Schülerinnen und Schüler mussten zurück nach Hause kehren. Mit allen, aber besonders mit denen, die in einem Prüfungsjahr waren, bemühte sich die Heimleiterin den Kontakt auf inhaltlicher und emotionaler Basis online weiter zu führen.  Inzwischen sind die zehn Abiturienten und Abiturientinnen zurück im Heim und bereiten sich auf ihre Prüfung vor. Das Leben bleibt aber nach wie vor eingeschränkt. Umso mehr freut sich das Heimpersonal über Anerkennung und Ermutigung, die gelegentlich auch kommt. Diese kam offiziell von Bischof Reinhart Guib, der den Abiturienten ein Segenswort zusandte, aber auch inoffiziell von ehemaligen Heimschülern. So schreibt z.B. aktuell eine „Ehemalige“ von ihrem Studienort Erlangen an die Heimleiterin: „Ich habe tatsächlich meine Leidenschaft gefunden, und wenn ich das sage, dann weißt du, dass ich für mein Fach (Jura) brenne. Ich hatte bis jetzt zwei Stipendien, die ich absagen musste, weil ich seit März 2020 von der Studienstiftung gefördert wurde. Ich bin so geehrt …. Ich wollte dem ganzen Heim für die Erfahrungen danken und hoffe, dass es euch auch in diesen komischen Zeiten gut geht.“

Das wünschen wir alle und hoffen, dass es im neuen Schuljahr 2020/2021 auch im Schülerheim mit gleichem Enthusiasmus und Schwung weitergeht.

Dr. Stefan Cosoroabă