Großauer Orgel bereit zur Restaurierung


Das sogenannte leere Rückpositivgehäuse wird sorgfältig aus der Brüstung ausgebaut (Foto: Brita Falch Leutert)

Im Rahmen der Festlichkeiten des Sachsentreffens 2021 in Großau erklang die Großauer Orgel zum letzten Mal öffentlich in der bekannten Form. Sie ließ dabei ihren alten Glanz  zwischen allen Mängeln und Fehlern durchschimmern. Gleichzeitig wurde deutlich, dass der Zahn der Zeit gründlich an ihr genagt hatte.

Es ist jetzt an der Zeit, durch einen umfassenden Eingriff das Potential dieses fantastischen Instrumentes wieder ans Tageslicht zu befördern. In der vergangenen Woche wurde Hand angelegt und dieses ehrwürdige, majestätische Instrument durch die Firma COT aus Honigberg sorgfältig abgebaut. Alle Bestandteile wurden nach Honigberg transportiert. Dort werden sie im Laufe des kommenden Winters restauriert und provisorisch zusammengefügt. Im Frühjahr dann – sobald die Temperaturen im Kirchenraum es erlauben – wird die Königin in alter und erneuerter Pracht an ihrem angestammten Platz auf der Westempore der Evangelischen Kirche Großau wieder erstehen.

Die Großauer Kirchengemeinde ließ 1775 von J. Hahn sen. (*1712  Leutschau / heute Levoča, Slowakei, +1783 Hermannstadt) ihre Orgel erbauen, die vorerst „nur“ aus der Hauptorgel bestand. Wenige Jahre später, 1782, entschloss sie sich, das Werk durch den gleichen Erbauer vergrößern zu lassen. Dies wurde durch den Einbau eines separates, sogenannten  Rückpositivs in die Emporenbrüstung realisiert. Ein Rückpositiv ist quasi eine zweite, kleine Orgel im Rücken der Organistin. Die Pfeifen dieser Miniorgel sind mechanisch mit der Hauptorgel verbunden. Sie werden auf einer separaten Klaviatur zum Klingen gebracht. In Großau ist das Rückpositiv mit einer wunderbaren Skulptur des harfenspielenden Königs David versehen. Das Instrument ist nach der Mediascher Orgel  in unserer Landeskirchedas zweitgrößte des Orgelbauers Johannes Hahn (sen.)  – und unseres Wissens das einzige, das Hahn mit einem Rückpositiv ausstattete.

Die Restaurierung wird folgende Hauptelemente umfassen:

  • gründliche, komplette  Reinigung
  • Behandlung gegen den Holzwurm
  • Reparatur aller durch diesen Schädling verursachten, umfassenden Defekte
  • Rekonstruktion von verloren gegangenen samt Entfernung von nicht originalen Bestandteilen (Pfeifen, Mechanik, Gehäuseteile)
  • Rekonstruktion der originalen Gehäusefassung

Dank sehr großzügiger Spenden wird das von Hahn ursprünglich vorgesehene, selbstständige Pedal (Pfeifenwerk, das Spielerinnen bzw. Spieler mit ihren Füssen steuert) als Neubau hinzugefügt. Das Pedalwerk verwandelt das Instrument definitiv in ein grosses Orgelwerk. Im Nachlass des Hermannstädter Stadtkantors F. X. Dressler, der sich im Siebenbürgischen Museum Gundelsheim befindet, konnte die Offerte von J. Hahn für die Erbauung der Großauer Orgel aufgespürt werden. Sie zeigt deutlich die Visionen des Orgelbauers für den prächtigen, großen Kirchenraum. Die Grossauer Kirchengemeinde konnte sich jedoch weder in der ersten  (1775: Hauptorgel) noch in der zweiten Phase (1783: Erweiterung) durchringen, Hahns Rat zu folgen und in ein selbstständiges Pedal zu investieren. Erst die jetzige Restaurierung / Rekonstruktion, die in ca. einem halben Jahr zur Ehre Gottes und zur Freude von uns Menschen erklingen wird, ermöglicht es, die von Orgelbauer Hahn ausschließlich zu Papier gebrachte Vision hautnah zu erleben: eine Orgel nicht nur mit Glanz, sondern auch mit Gravität!

Jürg Leutert