Leben und Glauben in besonderer Zeit - Interview


Familie Binder-Brandsch in fröhlichen Zeiten (Bild: Privat)

Die Redaktion von evang.ro, sowie die einzelnen Kirchengemeinden haben inzwischen sehr viele geistliche Onlineangebote produziert. Das Wort Gottes wird durch den emsigen Dienst von Pfarrerinnen und Pfarrern, von Organisten und Organistinnen weiterhin unter die Leute gebracht. Aber wie kommen diese Angebote an?

Was davon wird wahrgenommen? Wie geht es einer „normalen“ evangelischen Familie unserer Kirche in dieser Zeit? Um dieses zu erfahren, hat die Redaktion ein Interview mit der Familie Binder-Brandsch geführt.  

Sagt uns etwas über Eure Familie!

Wir sind in der Familie Binder-Brandsch zu viert. Mein Mann Hans Jürgen ist Angestellter im Teutsch-Haus, ich, Monika, leite das Tageszentrum der Hermannstädter Kirchengemeinde und unsere Söhne Lukas und Philipp gehen in die sechste und vierte Klasse. Wir sind vor zwei Monaten in eine neue Wohnung eingezogen, in der wir uns Stück für Stück einleben. Langsam wird sie zu unserem Heim. Obwohl sie größer ist, als die alte, wird sie uns in dieser Zeit eng.

Wie geht es Euch in dieser Corona-Zeit?

Es geht uns gut. Wir sind gesund. Das „zu Hause Bleiben“ macht uns allen zu schaffen. Wir waren aktive Menschen, die sich täglich an der frischen Luft bewegt haben, wir sind viel Fahrrad gefahren und wandern. Die letzten fünf Wochen (seit die Schulen geschlossen sind) waren eine Herausforderung für uns: Philipp bekam täglich Hausaufgaben und Arbeitsblätter online. Am Anfang war er begeistert seine Aufgaben am Computer zu erledigen, doch die Puste ging ihm schnell weg. Als ob sich die „Schule“ wiederholt hat: er wollte nur noch „das Leichte“ erledigen, alles andere: MORGEN. Ihn zu motivieren war DIE Herausforderung. Lukas bekam alle zwei Tage ein paar Aufgaben, die er sehr schnell löste und dann „sich langweilte“. Beide vermissen die Schule, insbesondere die Klassenkollegen, das Spielen und miteinander sein. Wir als Eltern waren herausgefordert für die Kinder Beschäftigung zu suchen, sie bei Laune zu halten, sie zu motivieren. Das alles neben dem Alltäglichen: Home office, Essen kochen, Wohnung in Schuss halten, Einkaufen usw. Am meisten macht uns die Isolation zu schaffen: dass wir Freunde, Familie, Menschen nicht von Angesicht zu Angesicht sehen können, ist das Schwerste. Natürlich gibt es das Telefon und das Internet, doch es ist nicht das selbe. Unser ganzer Leben scheint sich nun „im online“ abzuspielen. :(

Ein Freund von uns hatte die Idee, dass sich die „Spielgruppe“  - eine Gruppe von sechs deutschsprachigen Familien mit insgesamt 11 Kinder, die aus der Krabbelgruppe der Kirchengemeinde vor 11 Jahren entstanden ist - auf Zoom trifft. Wir hatten uns bis jetzt in größerer oder kleinerer Runde fast wöchentlich getroffen, um zu spielen und zu erzählen, zu wandern, für Ausflüge und Feiern. Inzwischen haben wir uns schon drei Freitage hintereinander online, auf Zoom getroffen. Das Treffen hilft uns, jedoch vermissen wir alle den direkten Kontakt.

Auch mit der Familie in Deutschland haben wir dann ein Treffen auf Zoom ausgemacht. Es war schön, alle zusammen zu sehen!

Ihr seid sonst regelmäßige Kirchgänger. Wir sieht Euer jetziges Kirchenleben aus?

Die Kirche fehlt uns, als Gebäude, als Gemeinde, als Gottesdienst. Der normale Sonntag fehlt uns. Am ersten Sonntag nach der Ausgangssperre haben wir den online Gottesdienst der Kirchengemeinde Hermannstadt verfolgt: wir haben mitgesungen, die Predigt gehört und gebetet. Wir lagen im Bett und sangen. Eine Stunde später verfolgten wir den Gottesdienst aus Uebigau, wo unser Schwager Pfarrer ist. Beide waren „normale“ Gottesdienste, mit dem gleichen gewohnten Ablauf. Und doch waren sie anders. Der eine in der Stadtpfarrloge, mit Pfarrer, Musiker und Leser. Der andere mit Pfarrer und Organist. Beide bekannt und doch fremd. Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt. Den Hermannstädter Gottesdienst sehen wir ganz früh, den Uebigauer pünktlich um 10.00 Uhr, erst dann wird er online gestellt. Und zwischendurch sehen und hören wir die Andachten und Gottesdienste anderer Gemeinden. Der liebste online Gottesdienst bleibt jedoch, der heimische! Wir sind dankbar für die Gottesdienste, für die Guten Worte, die wir jetzt fast täglich in Anspruch nehmen. Auch den Bach-Chor vermissen wir, die Proben am Mittwoch. Am Ostersonntag hätten wir im Gottesdienst gesungen. :(

Und zu Ostern?

Wie für alle, war auch für uns Ostern diesmal anders. Kein Auferstehungsgottesdienst, kein sonntäglicher Kirchenbesuch. Kein Händeschütteln und „Frohes Ostern“ wünschen. „Nur“ der online Gottesdienst der Hermannstädter Kirchengemeinde, der diesmal besonders schön war. Heuer haben wir dann auch den Michelsberger Gottesdienst live miterleben können. Über Zoom „saßen“ wir in der Kirche, von überall waren Gottesdienstbesucher mitgeschaltet, die Organistin aus Klausenburg, die Pfarrer aus Feldkirchen und Heltau, die Leser und Beter aus Hamburg, Temeswar, Kleinschenk. Nach dem Gottesdienst wünschten sich alle Besucher „“Frohe Ostern“ und verabschiedeten sich. Ostern war anders und doch so wie immer: Christus ist auferstanden!

Der österliche Sonntag verlief ruhiger als sonst.

Ist es für euch leicht diese Tage Christen zu sein?

Christ zu sein ist schön und leicht und normal, ob mit Corona oder ohne! Ich glaube nicht, dass es einen Unterschied macht, in welchen Zeiten man Christ ist. Gott sei Dank, werden die Christen nicht verfolgt, wie zu anderen Zeiten. Es ist nicht Krieg mit Waffen. Der medizinische Krieg findet ausserhalb unserer Familie statt, wir sind nicht direkt davon betroffen, obwohl alle unsere Gedanken darum kreisen: Wieviele Neu-Infizierte gibt es? In Hermannstadt? In Rumänien? In Uebigau? In Deutschland? Auf der Welt? Die Nachrichten werden verfolgt und positive Informationen gesucht: Welches Land hat die Quarantäne aufgehoben? Wie? Warum? Wann wird es auch bei uns soweit sein?

Was wünscht Ihr der Welt?

Wir wünschen ihr diese Zeit - so gut es geht - zu überstehen.

Viel Kraft, Mut und Zuversicht! Jedem ein Lächeln ins Gesicht! Das ein Jeder für sich eine Kraftquelle findet und daraus schöpfen kann. Alles Gute und Gottes Segen aus Hermannstadt.

Wir danken für den Einblick in Eurer Leben!