"Gott ist seinem Versprechen treu geblieben"


Vikarin Nato Danachrelashvili

Der Sonntag, 28. Juni 2020 ist der 'Dritte Sonntag nach Trinitatis'. Erstmalig hat uns die Hermannstädter Vikarin Nato Danachrelashvili ihre Gedanken für das schriftliche Geistliche Wort zur Verfügung gestellt. Sie hat diese Predigt zu Mi. 7,18-20  in der Kirche von Hammersdorf (Gemeindeverband Hermannstadt) gehalten.

Liebe Gemeinde,

„Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit“ - der Sommer, in seiner ganzen Pracht ist da und wir können dieses bekannte Kirchenlied zu Recht wieder singen, wie wir es auch am Vorabend des Johannistag hier in dieser Kirche bei der Vesper gesungen haben. Man kann beim strahlenden Sommerschein Freude an der Sommerzeit haben. Und hoffentlich bereitet sie uns auch heute und möglichst noch viele weitere Wochen Freude. „Geh aus“ – heißt es in diesem Lied und das gehört natürlich zur Sommerzeit dazu: hinausgehen, sich an der Schöpfung Gottes erfreuen und auch darüber staunen. Staunen über die blühenden bunten Sommerwiesen, über zwitschernde Vögel, über gelbe Weizenfelder und über die reifen Fruchtbäume.

Über das Staunen erzählt uns auch unser heutiger Predigttext. Er steht im Buch des Propheten Micha. Der Prophet staunt über die umfassende Gnade Gottes und ja, er freut sich auch darüber.

Der Text steht im Kap. 7, 18-20:

18 Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die geblieben sind als Rest seines Erbteils; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er hat Gefallen an Gnade!
19 Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen.
20 Du wirst Jakob die Treue halten und Abraham Gnade erweisen, wie du unsern Vätern vorzeiten geschworen hast.

Liebe Gemeinde,

der Prophet Micha gehört zu den sogenannten zwölf Kleinpropheten des Alten Testaments. Sein Buch besteht nur aus sieben Kapiteln und diese sind eine wechselnde Abfolge von Heils- und Unheilsworten. Der Prophet Micha lebt in der Zeit (8. Jh. v. Chr.), in der das Volk Israel sich von seinem Gott abgewendet hatte. Sie hätten als Volk Gottes die Aufgabe gehabt, ein Vorbild für die anderen Völker zu sein, doch sie wichen immer stärken davon ab und versanken im Götzendienst. Als Folge deren Taten prophezeit Micha in seiner Botschaften den zukünftigen Zorn Gottes über das ganze Land. Doch handelt Gott nicht aus der Rache oder Hass, sondern aus Liebe. Er weist durch den Propheten Micha sein Volk auf Fehlverhalten, auf Ungerechtigkeit, auf Lügen, auf Untreue hin und ruft zur Umkehr und Buße auf. Gott liebt sein Volk und Micha staunt darüber. Das bedeutet auch sein Name. „Micha“ ist die Kurzform von „Michael“ – und das heißt auf deutsch: „Wer ist wie Gott?“ Das ist keine sachliche Frage, sondern einen Ausdruck des tiefen Staunens.

So beginnt auch unser heutiger Predigttext „Wo ist solch ein Gott, wie du bist?“. Micha staunt. Er hat viel Verderben gesehen. Er hat viel vom Gericht Gottes gepredigt. Aber sein letztes Wort, bleibt ein Wort der Liebe und Zuwendung Gottes. Es passiert das, womit der Prophet überhaupt nicht gerechnet hat. Gott hält nicht für immer an seinem Zorn fest, sondern er vergibt. Gott vergibt, in dem er alle „unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen“ wird. Gott lässt sich nun auf seine Gnade festnageln.

Liebe Gemeinde, wir leben heute in Zeiten von solchen Zuwendungen Gottes. Gott ist durch seinen Sohn Jesus Christus, den Menschen so nahe gekommen, wie nie zuvor. Durch seinen Tod und durch seine Auferstehung hat Gott uns allen unsere Sünden vergeben. Es ist also genau so geschehen, wie Micha lange vor Christus prophezeit hatte – Gott hat die Schuld der Menschen unter seinen Füßen zertreten und die Sünden in die Tiefe des Meeres versunken. Heute können wir mit dieser Gewissheit leben, dass Gott alles menschliche Versagen und alle Schuld vergibt. Das heißt aber auch für uns, dass wir uns selbst verzeihen müssen. Denn wenn Gott schon alles vergessen und hinter sich gelassen hat, so sollen auch wir unsere Fehler und unsere Schuld in unseren Gedanken nicht mehr durchsuchen. Oft fällt es uns aber schwer. Oft können wir bei unseren eigenen Schwächen und Fehlverhalten nicht wegsehen. Oft stellen wir uns selbst im Leben zu hohe Ansprüche und dann sind wir vielleicht enttäuscht, dass wir sie nicht erfüllen können. Dabei müssen wir nicht vergessen, dass Gott uns besser kennt als wir selbst. Er kennt alle unsere menschlichen Schwächen und Versagen und weiß, dass wir aus eigener Kraft aus dem Zustand der Sündhaftigkeit nicht herauskommen werden. Darum hat er uns seinen Sohn geschickt, durch den er uns in seiner Gnade annimmt. Wenn wir das vollständig akzeptieren, werden wir ein Leben voller Frieden und Freude genießen und die Zuversicht haben, dass er uns nach dem Tod in sein Himmlisches Reich aufnimmt. Und wie das für uns persönlich gilt, so gilt es auch ebenfalls für unsere Mitmenschen. Und auch wenn es schwer fällt, wahrscheinlich sogar viel schwerer als uns selbst zu vergeben, so sollen wir auch unseren Mitmenschen vergeben, denn wir wissen, dass Gott ihnen ihre Sünden gleichermaßen vergeben hat. So gilt für alle die gleiche Gnade!

Liebe Gemeinde, vielleicht stellen wir uns dann die gleiche Frage, die die ersten Christen auch gestellt haben. Ob unsere Freiheit so weit geht, dass wir alles tun dürfen? Auf diese Frage hat der Apostel Paulus im Brief an die Korinther geantwortet. Er schreibt folgendes (Kap. 10, 23) „Alles ist erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf.“ Es ist also nicht alles gut und hilfreich. Wir bekommen die Gnade zwar umsonst, aber das Denken nach dem Motto „was nicht kostet, ist nichts Wert“ ist damit nicht gemeint.

„Kann die Gnade billig sein?“ fragte auch der deutsche Theologe des 20. Jh. Dietrich Bonhoeffer und machte einen Unterschied zwischen „billiger und teurer Gnade.“ „Billige Gnade“ heißt für ihn „Gnade als Schleuderware. Verschleuderte Vergebung, verschleuderter Trost, verschleudertes Sakrament […] Gnade ohne Preis, ohne Kosten“. Billige Gnade heißt dann: Man sucht sich aus dem Evangelium das heraus, was einem gefällt und den Rest lässt man weg. Das beinhaltet aber nicht die frohe Botschaft, sondern wie Paulus im 1. Kor 6, 20 schreibt „Ihr seid teuer erkauft“. Und ja die Gnade ist nicht billig, vor allem für Gott nicht. Er lies es sich viel kosten und zwar das Leben seines eingeborenen Sohnes Jesus Christus. Gott ist seinem Versprechen treu geblieben. Er hat in Jesus Christus vollendet, was er den Erzväter Abraham, Isaak und Jakob geschworen hat.

Amen.