“Etwas vom Gemeindeabend.”

Vor hundert Jahren in den 'Kirchlichen Blättern'


Aus dem Archiv der Kirchlichen Blätter.

“Ein Gebiet, auf welchem der Pfarrer von heute in unseren kleineren Gemeinden sich unbedingt betätigen muß, ist die Pflege und Förderung eines edlen und geselligen Lebens in den Wintermonaten. Ein wichtiges Mittel hiebei ist unter anderem der Familienabend. (…) Heute möchte ich die Pfarrer und Lehrer, die sich für diesen Teil der Gemeindepflege interessieren, und das wäre allen dringend zu empfehlen, auf ein Hilfsmittel hinweisen, das meines Wissens auf den Landgemeinden noch sehr wenig in Gebrauch ist, das ist die Vorführung von Lichtbildern.

In meinem ersten Amtsjahr in einer der ärmsten Kirchengemeinden unserer Landeskirche kam mir zufällig der Prospekt der Firma Ed. Liesegang in Düsseldorf über Projektionsapparate und Lichtbilder in die Hand. Sofort war mein Plan fertig. Du kaufst, so sagte ich mir, einen solchen Lichtbilderapparat und führst durch Vorführungen von Lichtbildern gegen einen geringen Eintrittsbetrag sowie durch kleine Vortragsreisen in den Nachbargemeinden, die durch Abtreten eines Teiles der Einnahmen zu zahlreichem Besuch veranlaßt werden, deiner Kirchenkassa neue Mittel zu. – Aber leider hatte ich meine Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn die Geldvorräte waren stark negativ, die rückständigen Ausgaben erschreckend groß und die Aufnahme eines Darlehens zu diesem Zweck wäre damals sträflicher Leichtsinn gewesen. Aber ‚ich bewegte diesen Gedanken in meinem Herzen’, und als ich nach wenigen Jahren in eine wohlhabendere Gemeinde kam, konnte ich ihn verwirklichen. Die Kirchenkasse streckte den Betrag vor und erhält ihn aus den Einnahmen der Lichtbilderabende ratenweise zurück. Wie groß war meine Freude, als ich in meiner dritten Gemeinde beim ersten Betreten des Pfarrhauses neben der Kirchenlade das Kästchen mit dem Projektionsapparat stehen sah.

Die Veranstaltung von Familienabenden hat nicht nur den Zweck, den Gemeindegliedern einige angenehme Stunden zu bereiten, sondern gibt dem Veranstalter, dem Pfarrer   u n d   dem Lehrer, Gelegenheit, während der Vorbereitung an die Leute, besonders die Jugend heranzukommen (...). Der Lehrer hatte in anerkennenswerter Weise das Einstudieren einiger von mir ausgewählter Chöre für Kinder und gemischten Chor (Burschen und Mägde) übernommen und sofort hatte die obligate Singstunde neues Leben gewonnen. Ebenso stellten sich mir mehrere Burschen gerne zu Verfügung, spannten mit mir die große Projektionswand auf, ordneten die Sitzplätze, wobei ich willig auch auf ihre diesbezüglichen Vorschläge einging, und zwei übernahmen die Bedienung des Apparates, die sie sehr geschickt besorgten. Durch solches gemeinsames Arbeiten schmilzt das Eis zwischen dem neuen Pfarrer und seiner Jugend sofort und ich habe bisher nicht gemerkt, daß durch ein solches freundschaftliches Näherkommen der Respekt gelitten hätte. Im Gegenteil!

Man mag mir vielleicht entgegenhalten, daß die Landleute heute in der Stadt Gelegenheit haben, solche Vorführungen, sogar mit ‚beweglichen Bildern’, zu sehen. Aber dort wird das Solide und gute durch das viele Alberne und Aufregende stark verdunkelt und der Gewinn ist doch ein recht zweifelhafter, während man es hier in der Hand hat, Anregung und Unterhaltung aus den verschiedenen Gebieten zu vermitteln und neben den Bildern auch durch Wort und Lied zu wirken. Die Hauptsache ist, daß die Gemeinde nicht nur empfängt, sondern selbst mithilft.

Die Firma Eduard Liesegang, Fabrik für Projektionsapparate und Lichtbilder in Düsseldorf, Postfach 124, sendet gerne ausführlichen Prospekt über Lichtbilderapparate und Lichtbilderserien, die sie leihweise abgibt. Für unsere Verhältnisse kommen mit Ausnahme der Orte, die elektrisches Licht haben, nur Apparate mit Azetylenbeleuchtung, deren Handhabung völlig gefahrlos ist, in Betracht. Wer sich jetzt zur Anschaffung entscheidet, kann schon im Januar den ersten Versuch machen. Es wird ihm dabei gehen wie mir: Er wird sich freuen, einen neuen Helfer in seiner Arbeit gefunden zu haben. 

Rothberg,                                                                 Misch   B e r g l e i t e r“

(Kirchliche Blätter, Hermannstadt, 27. Dezember 1913)