Erster Mai: Vielfältiger Feiertag


Illustration zum 1. Mai, in: "Siebenbürgisch-sächsisches Heimatbuch. Aus Sage, Geschichte und dem Brauchtum vergangener Jahrhunderte" von Carl Göllner (Bukarest 1975) - Foto: Winfried Ziegler (bearb.)

Der Maifeiertag ist traditionell für viele Menschen ein wichtiger Termin im Kalender. Mit Maifesten, Maisingen, Maiblasen, Andachten und althergebrachtem Brauchtum wird der mitten im Frühling gelegene Erste Mai seit Generationen auch in Rumänien gefeiert. In politischer Hinsicht hat die Arbeiterbewegung ihn im 19. Jahrhundert zu ihrem internationalen Protest- und Gedenktag auserkoren.

Die Forderung nach dem Acht-Stunden-Tag war es, die vor anderthalb Jahrhunderten der inhaltliche Kern der Maikundgebungen war. Die schikanierten Industriearbeiter von Chicago organisierten sich in einem mehrtägigen Streik, der schließlich in schweren Unruhen mit vielen Toten mündete (Haymarket Affair). Der Mai 1886 gilt vielen Menschen seither als die Geburtsstunde der US-amerikanischen Arbeiterbewegung. In den folgenden Jahren setzte sich der 1. Mai als internationales Datum für den Protest- und Gedenktag der Arbeiter durch.

Kirchen und Arbeiterbewegung

Die Römisch-Katholische Kirche sah sich angesichts der sich weltweit immer deutlicher manifestierenden Arbeiterbewegung und entsprechend populärer werdender marxistischer Ideen unter Handlungszwang. Bereits 15. Mai 1891 veröffentlichte Papst Leo XIII die wichtige Enzyklika Rerum Novarum, in der er sozial- und wirtschaftspolitisch den Liberalismus und den Sozialismus gleichermaßen kritisierte und einen dritten Weg vorgab: die Katholische Soziallehre. Unter politischen Analysten gilt diese Initiative des Vatikan auch als Motivation zur Gründung christlich-sozialer Parteien. - Im Jahr 1955 hat Papst Pius XII den 1. Mai als Tag Josefs des Arbeiters offiziell in den katholischen Kalender aufgenommen. Josef von Nazaret war biblischen Quellen zufolge Bauhandwerker (Zimmermann) und wurde unter katholischen Christen seit jeher als Schutzheiliger der Arbeiter verehrt.

In den Evangelischen Kirchen ist der 1. Mai offiziell kein Feiertag. Allerdings werden seit Langem viele Veranstaltungen und Andachten dem Thema Arbeit gewidmet und im evangelischen Kalender für alle im kirchlichen Dienst - 2020 ist er als „Bitttag um gesegnete Arbeit“ vermerkt und mit folgendem Bibelwort versehen: „Der Herr, unser Gott, sei uns freundlich und fördere das Werk unserer Hände.“ (Ps. 90,17)

Der Erste Mai in Rumänien und Siebenbürgen

In Rumänien ist das Datum des 1. Mai für viele Menschen immer noch durch die organisierten Massenkundgebungen und pompösen Aufmärsche während der Zeit des kommunistischen Totalitarismus geprägt. Gleichermaßen jedoch bot der arbeitsfreie Feiertag auch die Möglichkeit, Ruhe und und Besinnung zu finden und bei schönem Frühlingswetter zum Maiglöckchenpflücken oder zu einem entspannten Spaziergang. In manchen Gemeinden Siebenbürgens haben junge Männer früher am 1. Mai ihren „Liebchen“ bzw. Verlobten Birken-, Linden- oder  Ahornbäumchen vor das Haus gestellt. Aber auch in den Städten wurde – abseits der staatlich organisierten Paraden – mit Blasmusik, „Holzfleisch“ (Gegrilltem), „Pali“, Bier oder Wein Maialis gefeiert. In Hermannstadt hat das Demokratische Forum der Deutschen nach der Wende von 1989/90 die alte Tradition des Maifestes im Jungen Wald wieder aufgenommen.

In der Ethnografische Sammlung der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (EKR) wird zum traditionsreichen Maiblasen folgendes erläutert:

„Zum ersten Mai war es in sächsischen Ortschaften üblich, dass die Blaskapellen zu Sonnenaufgang den Frühling auf einem nahgelegenen Berg ‚einbliesen‘. Die Adjuvanten spielten ‚Der Mai ist gekommen‘ und andere Frühlingslieder und zogen anschließend durch den Ort, wo sie dem Pfarrer, Lehrer, anderen Autoritäten sowie Freunden und den Familien jedes Kapellenmitgliedes ein Ständchen spielten und dafür zu Wein und Gebäck eingeladen wurden. Dieser Brauch ging in den meisten Gemeinden nach der Auswanderung verloren, da nun die Blasmusiker fehlten. In einigen Dörfern, die heute noch eine Blaskapelle haben, hat sich der Brauch erhalten können.“

Maifeiern auf „Distanz“

In dem durch die Coronakrise geprägten Jahr 2020 müssen sich auch die vielfältigen Maitraditionen an die gegebenen Umstände anpassen. Die großen Maikundgebungen der Arbeiterparteien finden in diesem Jahr nicht statt, nicht einmal im sozialistischen Kuba kann der „Internationale Kampftag“ in gewohnter Weise begangen werden. Doch auch Zusammenkünfte von kleinerem Ausmaß und ohne politische Botschaft sind vorerst nicht möglich.

Erst ab Mitte Mai werden zum Beispiel in Rumänien erste Einschränkungen der Bewegungsfreiheit aufgehoben. Das Hermannstädter Maifest entfällt in diesem Jahr, das Michelsberger Maisingen ist auf den digitalen Raum ausgewichen und wurde als Videokonferenz über die Internetplattform Zoom organisiert. Nichtsdestotrotz freuen sich in Rumänien, wie auf der ganzen Welt, Menschen über den Frühling und begehen in unterschiedlichsten Formen ihren ganz persönlichen Ersten Mai. Aus der Evangelischen Kirchengemeinde A. B. in Petersdorf bei Mühlbach erreichte uns ein liebevoll und trotzdem den aktuellen Sicherheitsbestimmungen entsprechend gestaltetes „Der Mai ist gekommen“ als Video.

So hat der Maifeiertag für unterschiedliche Menschen eine unterschiedliche Bedeutung: Für viele ist er hochpolitisch, für andere ein Fest der Freude über die aufblühende Natur, ein Tag zur Würdigung der Schöpfung oder einfach ein arbeitsfreier Tag der Erholung. Doch gerade an einem Tag, der üblicherweise gerne gemeinsam mit Freunden, mit der Familie oder mit Gleichgesinnten verbracht wird, ist wieder deutlich zu sehen, wie die Bedrohung durch die Coronakrise uns alle betrifft – unabhängig von der Kultur, unabhängig vom Wohnort, unabhängig von der Weltanschauung.