"Zeichen setzen in einer Welt im Ausnahmezustand"


Pfr. Uwe Seidner, Wolkendorf im Burzenland (Foto: zVg)

Geistliches Wort für Freitag der Woche Laetare zu Jeremia 17,9-10 – von Pfr. Uwe Seidner

„Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen? Ich, der Herr, kann das Herz ergründen und die Nieren prüfen und gebe einem jeden nach seinem Tun.“ (Jeremia 17, 9-10).

Liebe Schwestern und Brüder in Christo!

 

Mitten in der Passionszeit stehen wir vor einer großen Herausforderung, die so noch keiner von uns gekannt hat. Nur aus Erzählungen von Großeltern kennen wir Weltkatastrophen wie den Zweiten Weltkrieg. Wie sehr hatten wir uns nun an einen geregelten Alltag und all die Sicherheiten der Moderne gewöhnt. Wir lebten in einer schnellen Welt. Doch plötzlich wurden wir durch ein Virus aus diesem gewohnten Alltag herausgerissen. Wer hätte sich gedacht, dass die Welt plötzlich still gelegt wird, ja, in einen Ausnahmenzustand versetzt wird? Ich selber habe es nicht gedacht. Nun gilt für uns in den Häusern verharren, bis die Lage wieder im Griff ist und die Welle der Pandemie eingedämmt ist. Wie lange? Das wissen wir noch nicht. Natürlich sind wir verunsichert und haben Angst. Wir fürchten uns vor der Vereinsamung in Isolation, aber auch vor schwerer Erkrankung, deren Verlauf fatal sein könnte.

Nur zu viele Beispiele gibt es aus der Geschichte unserer Vorfahren, die uns deutlich vor Augen führen, was so eine Pandemie anrichten kann. Im Mittelalter war es die Pest, die unter den Menschen wütete und kaum zu bezwingen war. In Wolkendorf erinnert im Pfarrgarten ein Grab- und Denkmal des Pfarrers Johannes Rauß an diese dunkle Zeit. Der Pfarrer verstarb 1737 an der Pest. Aus Urkunden wissen wir, wie sich die Menschen damals organsierten. Man errichtete Absperrungen und ließ keine Fremden ins Dorf hinein, denn er hätte ja die tödliche Krankheit hereinschleppen können. Auch kein Wolkendorfer durfte den Ort verlassen. Für die Pestkranken wurde außerhalb des Dorfes ein Lazarett erbaut. Die Angehörigen brachten ihren Kranken Holz und Lebensmittel. Für die Leute war ihre Welt im Ausnahmezustand.

Ihr Lieben, die Lage ist ernst. Natürlich ist sie das. Aber wir haben eine Hoffnung. In diese unsichere Zeiten hinein leuchtet das heutige Losungswort aus dem Buch des Propheten Jeremia:

Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen? Ich, der Herr, kann das Herz ergründen und die Nieren prüfen und gebe einem jeden nach seinem Tun.“ (Jeremia 17, 9-10).

Jeremia war der Prophet der Zeichenhandlungen in Krisenzeiten. Er erhielt von Gott die schwere Aufgabe Gericht und Vergeltung zu prophezeien. Doch er sollte auch Heilsworte und einen neuen Bund verkünden.

Im heutigen Losungswort, weiß der Prophet Jeremia wie es um sein – und unser – Herz bestellt ist. Die Zwiespältigkeit des Herzens war ihm bekannt. Auch die aktuelle Lage, in der wir uns befinden, bringt Zwiespältigkeit. Wir sind trotzig weil unsere Freiheiten drastisch beschnitten werden und wir in Isolation ausharren müssen. Anderseits sind wir auch verzagt und verängstigt. Wir spüren, dass uns und unseren Lieben Gefahr an Leib und Seele droht. Wir laufen Gefahr den Mut zu verlieren und zu resignieren. Resignation war auch eine meiner ersten Reaktionen auf diese Situation, als ich merkte, dass eine Welt zusammenbricht. Doch in diesem Augenblick wage ich zu behaupten, dass die Welt doch nicht zusammenbrechen wird, sondern sie wird sich wandeln. „Es gibt historische Momente, in denen die Zukunft die Richtung ändert und nichts mehr so sein wird, wie es war“, sagt Matthias Horx, ein Zukunftsforscher.

Wie war es nun zu den Zeiten des Propheten? Wir schreiben das Jahr 586 v. Chr. Die Weltmacht Babylon belagert die Hauptstadt Jerusalem. Die Verteidiger der Stadt versuchten erbittert Widerstand zu leisten. In der Stadt herrscht Hungersnot und es breitet sich eine Seuche aus. Immer mehr Menschen fallen Hunger und Pest zum Opfer. Jeremia sitzt im Gefängnis. Einen störenden Verkündiger wollte man nicht haben. Mitten in dieser Zeit tritt sein Vetter auf den Plan und sagt ihm: „Kauf mir den Acker in Anatot ab.“ Anatot aber war bereits von den feindlichen Truppen besetzt. Und doch kauft Jeremia den Acker. Es war Zeichen der Hoffnung in einer Welt im Ausnahmezustand. Jeremia vertraut auf Gott und kauft den Acker.

Ein gefährliches Virus setzt unsere Welt in Ausnahmezustand. Doch auch im Ausnahmezustand wird unser Vertrauen nicht erschüttert. Jeremia und die Ahnen haben es uns vorgemacht: wir kaufen einen Acker in Anatot und vertrauen auf unseren Herrn. Wenn wir uns verzweifelt fragen, wie wir mit der Lage klar kommen sollen, dann erhalten wir die Antwort darauf von Johannes in unserem heutigen Lehrtext: „Gott ist größer als unser Herz und erkennt alle Dinge.“ (1. Joh. 3, 20). Seht also auf den lebendigen Gott! Der ist größer als unser verzagtes Herz.

Amen.

Wir bekennen unseren Glauben mit Worten eines alten Liedes:

Auf meinen lieben Gott / trau ich in Angst und Not; / der kann mich allzeit retten / aus Trübsal, Angst und Nöten, / mein Unglück kann er wenden, / es steht in seinen Händen.

Pfr. Uwe Seidner, Wolkendorf im Burzenland