Einblicke in die Geheimnisse von Deutsch Weißkirch


Sechshundert Jahre alte Ornamente und Wandmalereiein wurden in der Kirche von Deutsch Weißkirch entdeckt. (Bild: Lorand Kiss)

In Deutsch Weißkirch drücken einander in der Reisesaison normalerweise Besuchergruppen förmlich die Türklinke der UNESCO-geschützten evangelischen Kirche in die Hand. Aufgrund der Pandemiesituation blieb der große Besucheransturm in diesem Jahr aus. Mit umso mehr Ruhe konnten Fachleute aus dem In- und Ausland die weitere Erforschung bisher ungeahnter Geheimnisse des bekannten Kirchenburgenensembles betreiben.

Nicht nur Kulturtouristen aus der ganzen Welt besuchen Deutsch Weißkirch und seine sehenswerte Kirche gern und oft. Auch Fachleute haben die mittelalterliche Anlage längst für sich und ihre Forschungen entdeckt, seit fünf Jahren verstärkt auch durch die fachtouristischen Aktivitäten der Stiftung Kirchenburgen.

Bereits im Jahr 2017 bereiste eine Gruppe von Bauexperten der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands Siebenbürgen. Mit von der Partie war seinerzeit der damalige Baureferent im Kirchenkreis Eisleben-Sömmerda, Dr. Olaf Huth. Ruth István und Sebastian Bethge vom Team der Stiftung Kirchenburgen hielten den Kontakt zum Denkmalspezialisten Huth aufrecht, auch nachdem dieser eine Professur für Digitale Denkmaltechnologien, Bauingenieurwesen und Monitoring von Baudenkmälern an der Hochschule Coburg angenommen hatte. Die Stiftung Kirchenburgen koordinierte schließlich 2019 eine gemeinsame Siebenbürgen-Studienreise der Universitäten von Coburg und Bamberg. Im Zuge dieser Reise, zu der die deutschen Experten auch wissenschaftliches Equipment mitgebracht hatten, wurde unter anderem eine komplette 3-D-Vermessung der Kirchenburg von Schaal durchgeführt. Doch auch ein Besuch in Deutsch Weißkirch stand auf dem Reiseplan, wo es zu einer Begegnung mit Dietmar Gross (Mitglied des Kirchenvorstandes der Kirchengemeinde Deutsch Weißkirch) kam. – So war die Basis für eine fruchtbare Zusammenarbeit errichtet.

Marius Moldovan, ein aus Temeswar stammender und in Deutschland lebender Denkmalpflegestudent, war bereits 2019 Teil der Studiengruppe der beiden deutschen Hochschulen und hat sich nun im Jahr 2020 gemeinsam mit seinem Kommilitonen Cedric Siffermann für einen längeren Forschungsaufenthalt nach Deutsch Weißkirch begeben. Für ihre Masterarbeit, die von Dr. Ing. Dipl.-Holzwirt Thomas Eißing und dem bereits erwähnten Prof. Dr. Olaf Huth betreut wird, arbeiten die beiden jungen Wissenschaftler an einer dendrochronologischen Untersuchung der Baugeschichte der Kirchenburg. Unter Dendrochronologie versteht man die wissenschaftliche Methode der Altersbestimmung von Holz anhand der Jahresringe. In der Bauforschung werden zu diesem Zweck Proben (z.B. aus hölzernen Balken) entnommen, anhand derer sich das Alter des verbauten Materials auf wenige Jahre genau bestimmen lässt. Auf diese Weise werden Interessierte möglicherweise bald Zugang zu bauhistorischen Tatsachen über Deutsch Weißkirch erhalten, die bisher nicht erschlossen waren und das eine oder andere Geheimnis lüften können.

Ungeahnte Schätze an der Chorwand

Jemand, der sich hauptberuflich mit der Lüftung von Geheimnissen befaßt, ist der Restaurator Lorand Kiss. Im Oktober hat er die Kirche von Deutsch Weißkirch, die in ihren Ursprüngen auf die Zeit vor der Ansiedelung der Siebenbürger Sachsen zurückgeht, unter die Lupe genommen. Kiss, der die Kirchenburgenlandschaft und ihre versteckten Schätze wie kaum ein anderer Experte kennt, hat Bereiche an den Mauern identifiziert, die möglicherweise uralte Wandmalereien bergen und an ausgewählten Stellen Schicht für Schicht der weiß-grauen Farbschicht abgetragen. Das Ergebnis macht neugierig: An der Südseite wurden Malereien des 15. Jahrhunderts entdeckt. „Aus den freigelegten gotischen Elementen sowie aus der Technik, die die Künstler verwendet haben kann ich schließen, dass die Wandmalereien etwa sechshundert Jahre alt sind“, erklärt Lorand Kiss.

Bereits vor der politischen Wende von 1989/90 gab es wohl Vermutungen darüber, dass in der evangelischen Kirche von Deutsch Weißkirch Wandmalereien verborgen sein könnten aber seinerzeit gab es noch kein ausreichendes Interesse, diese auch zu erforschen. Dies hat sich nun definitiv geändert. Marius Moldovan und Cedric Siffermann bleiben noch bis Ende November vor Ort. Ihrer Masterarbeit mit dem Titel „Bauforschung und Gefügeanalyse am Dachtragwerk der Kirchenburg in Deutsch Weißkirch“, entstanden als Folgeprojekt der Fachreise von 2019, wird eine wichtige Rolle bei zukünftigen Sicherungs- oder Renovierungsarbeiten an der Kirche zugesprochen.

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