Der „Liewe Jott“ an der Spree


Das „Evangelische Zentrum“ in Berlin-Friedrichshain

Die landeskirchliche Partnerschaft zwischen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) und der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (EKR) nimmt immer konkretere Formen an. Anlässlich eines Besuchs der deutschen Bundeshauptstadt stand unter anderem eine Begegnung zwischen dem EKR-Referenten für Öffentlichkeitsarbeit und den Berliner Kolleginnen und Kollegen auf dem Programm. – Ein Bericht von Stefan Bichler.

Routinemäßige Mitarbeiterbesprechung der für Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EKBO: Vierzehn Menschen sitzen in betont offener Runde um ein Tischchen und erstatten Bericht über Einschaltquoten, Marktanteile kirchlicher Radiosendungen, neueste Publikationen, Gedenkgottesdienste und natürlich über die Organisation der Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum. Professionalität ist Routine. – Ein ganz normaler Arbeitstag im „Evangelischen Zentrum“ in der Georgenkirchstraße im Frühling 2017.

Für die EKR ist die EKBO nicht nur eine unter mehreren befreundeten deutschen Landeskirchen. Sowohl unter dem derzeitigen Bischof Dr. Markus Dröge als auch während der Amtszeit seines Vorgängers Bischof em. Wolfgang Huber (1994-2009) haben sich regelmäßige und intensive Kontakte zwischen den beiden lutherischen Kirchen etabliert. An konkreten Projekten sei etwa die tatkräftige Berliner Mithilfe bei der Einrichtung des EKR-Zentralarchives im Friedrich-Teutsch-Haus erwähnt. Auch die Entsendung von Bezirksdechant Pfr. Dr. Wolfgang Wünsch (seit 2001 Pfarrer in Petersdorf bei Mühlbach) und von Pfr. Martin Meyer (Kronstadt) gehen auf die fruchtbare Unterstützung der EKR durch die EKBO zurück. Nun, im Jahr des Reformationsjubiläums, steht nach bloß zweijähriger Ausarbeitungszeit die Unterzeichnung einer offiziellen landeskirchlichen Partnerschaft bevor. Am Kirchentag in Kronstadt (29. September bis 1. Oktober 2017) sollen beide Kirchenleitungen das Dokument feierlich unterzeichnen.

Friedlicher als der Augsburger Religionsfrieden

Ein Ausflug in die deutsche Kirchengeschichte zeigt Überraschendes: Nachdem 1539 im Kurfürstentum Brandenburg die lutherische Reformation eingeführt wurde, in den folgenden Jahrhunderten die Landesherren jedoch meist dem reformierten Bekenntnis angehörten, war die kirchenpolitische Situation lange Zeit von einer durch die Herrscher geförderten, ausnahmsweisen Koexistenz beider Konfessionen geprägt. 1817 verordnete Friedrich Wilhelm III. schließlich sogar die Vereinigung beider Bekenntnisgemeinschaften („Union“), wodurch er den Grundstein für die gegenwärtige Landeskirche legte.

Die EKBO hat heute über eine Million Mitglieder. Dies entspricht knapp 17 Prozent der Bevölkerung im betreffenden Amtsbereich, der im Großen und Ganzen etwa den Bundesländern Berlin und Brandenburg, sowie dem östlichen Teil Sachsens (Schlesische Oberlausitz) entspricht. Wie keine andere evangelische deutsche Kirche war jene in Berlin-Brandenburg in der Nachkriegszeit von der Deutschen Teilung betroffen. Von 1972 bis 1991 war sie in den „Bereich West“ und den „Bereich Ost“ unterteilt, weil eine gemeinsame Leitung aufgrund der politischen Umstände praktisch unmöglich gewesen wäre. Erst seit dem Jahr 1991 steht der Kirche wieder ein gemeinsamer Bischof vor.

Das Konsistorialgebäude der EKBO - das „Evangelische Zentrum“ - liegt seit dem Jahr 2000 im Norden von Berlin-Friedrichshain, an der Grenze zum Stadtteil Prenzlauer Berg und damit östlich der früheren Berliner Mauer. Der backsteinrote Gebäudekomplex befindet sich kaum 15 Fußminuten entfernt vom „Alex“, dem Berliner Fernsehturm, an dem jeder Besucher der Stadt an der Spree sich praktisch immer orientieren kann, weil das enorme Bauwerk so gut wie dauernd zu sehen ist. Mit knapp 370 Metern war er nicht nur ab Ende der 1960er-Jahre der architektonische Stolz des „Arbeiter- und Bauernstaates“ DDR, sondern ist auch heute noch mit Abstand das höchste Bauwerk und eines der Wahrzeichen ganz Deutschlands. An Monumenten und Kulturerbe von Weltrang fehlt es auch der EKBO selbst nicht: Der Berliner Dom und die Marienkirche - die älteste noch sakral genutzte Berliner Pfarrkirche, in der auch Bischof Markus Dröge predigt - sind ebenso evangelisch-lutherische Gotteshäuser, wie es die heute als Museum genutzte Nikolaikirche früher war. Nicht zuletzt wird auch die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche von einer Gemeinde der EKBO genutzt. Jene Kirche auf dem Charlottenburger Breitscheidplatz also, die 1943 bei einem Bombenangriff stark beschädigt wurde und deren Turmruine nunmehr als Mahnmal gegen den Krieg bekannt ist. Der Platz nahe dem Kurfürstendamm kam zuletzt durch den Anschlag auf den dort traditionell stattfindenden Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 in die internationalen Schlagzeilen.

Zwischen neuem Sicherheitsbedürfnis und traditioneller weltbürgerlicher Offenheit

Nicht zuletzt aufgrund dieses traurigen Zwischenfalles spielt das Thema Sicherheit bei allen größeren Veranstaltungen der EKBO eine zunehmend wichtige Rolle. Gerade im Reformationsjubiläumsjahr ist dies daher laufend ein Thema, auch bei den Besprechungen von Thorsten Wittke (Leiter des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit), Dr. Elke Rutzenhöfer (Verlagsleiterin im kirchlichen Wichern-Medienhaus) und dem Team der für Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EKBO. Anlässlich der Sitzung vom 8. März ist die bevorstehende Friedenskundgebung am Breitscheidplatz eines der zentralen Themen. Christen, Muslime, Juden, Angehörige anderer Religionsgemeinschaften sowie natürlich auch viele Menschen, die keiner Glaubensgemeinschaft angehören, wollen einander treffen, um sich drei Monate nach dem Attentat zu einem „weltoffenen Berlin“ zu bekennen.

Neben der Zuversicht und dem erhobenen Haupt, mit dem die Berlinerinnen und Berliner ihre gemeinsamen Werte gegen Intoleranz und Terror verteidigen möchten, spielt nun auch die Vorsicht eine spürbare Rolle. Die Gratwanderung zwischen Bedrohungsgefühl und hermetischen Sicherheitsmaßnahmen einerseits und dem Bedürfnis nach unbeschwerter Gemeinschaft und klassischer Berliner Liberalität andererseits ist enorm schwierig zu meistern.

Zwischen Spreewald und Burzenland: Alte Bekannte – neue Freunde!

Rumänien und Siebenbürgen sind für die meisten der anwesenden EKBO-Leute auf den ersten Blick weit entfernt. Trotzdem finden viele irgendeinen Anknüpfungspunkt: Ob alte, bewährte institutionelle Kontakte im Bereich der Ökumene, Urlaubsreisen durch die Kirchenburgenlandschaft oder ans Schwarze Meer oder auch „nur“ bundesdeutsche Medienberichte über Rumäniens Innenpolitik – der südosteuropäische Nachbar ist kein ganz unbeschriebenes Blatt. So ergibt sich ein interessanter Dialog mit vielen Fragen nicht nur zu grundlegenden Eckdaten über das kirchliche Leben in der EKR. Sehr interessiert zeigen sich die deutschen Freunde an den jüngsten politischen Entwicklungen in Rumänien, der Rolle des evangelisch-lutherischen Staatspräsidenten in diesem Zusammenhang und wie die Kirchen Rumäniens sich bezüglich der jüngsten Vorgänge positionieren. Das diakonische Engagement der protestantischen Kirchen in Rumänien sowie die Situation der Roma und anderer ethnischer Minderheiten werden ebenfalls eingehend diskutiert an jenem Mittwoch im März 2017, bevor jeder wieder an seine Arbeit geht, bereichert durch die Berichte des Anderen.

Vieles, nicht nur die rund achtzigfache Anzahl an Mitgliedern, unterscheidet die EKBO sehr stark von der EKR. Was die beiden Kirchen jedoch eint, sind mit Sicherheit die bewegte Geschichte, die immer aktueller werdenden Herausforderungen im Umgang mit Kulturerbe von internationaler Bedeutung und das Problem der immer kleiner werdenden Kirchengemeinden. Eine weitere, ganz aktuelle Verbundenheit kommt schließlich 2017 noch dazu: Die gemeinsame Vorfreude auf die bevorstehende Kirchenpartnerschaft!

Siehe auch: Bilderreihe "EKBO"