Wort zum Sonntag für Radio Temeswar - von Pfr. Walther Sinn


Pfr. Walther Sinn (Semlak)

Pfarrer Walther Sinn betreut die westlichste Kirchengemeinde der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (EKR). In Semlak leben knapp hundert evangelische Seelen, darüber hat er die geistliche Betreuung der Diasporagemeinden im gesamten Banat (z.B. Steierdorf, Reschitz, Liebling, Birda), das zum Kirchenbezirk Mühlbach gehört, übernommen. - Im Folgenden geben wir das "Wort zum Sonntag" wieder, das Pfarrer Sinn für Radio Temeswar verfasst hat.

"GOTT TRÖSTET SEIN VOLK"

Liebe andächtige Zuhörer, liebe Schwestern und Brüder,

seinen Namen erhielt der heutige Sonntag Laetare aus Jesaja 66,10, wo es lateinisch folgendermaßen heißt: „Laetare cum Jerusalem, et exultate in ea, omnes qui diligitis eam.“ Deutsch lautet das folgendermaßen: „Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie liebhabt!“

„Freuet euch !“ so ruft uns der heutige Sonntag mitten in der Passionszeit zu.  Deshalb wird dieser Sonntag auch noch als kleiner Ostertag bezeichnet. Der 4. Sonntag in der Passionszeit will hinweisen auf das große Geschehen, dessen wir zu Ostern gedenken.

Heute geht es um ein Wort des Propheten Jesaja, der 700 Jahre vor Christus zum Volk Israel sprach, als es sich 50 – 70 Jahre im Exil in Babylonien befand.

Die Zerstörung Jerusalems und die Deportation waren eine Katastrophe, ein Grund zur Klage und Trauer. Israel hat gelernt, die Katastrophe als Walten Gottes zu verstehen.

Doch nun soll die Zeit der Klage ein Ende nehmen. Gott eröffnet den Israeliten eine neue Chance. Sie sollen nach Hause kehren und die Stadt wieder aufbauen. Gott fordert durch den Propheten Jesaja auf:

10 Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt!  Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid. 12 Denn so spricht der HERR: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Ihre  Kinder sollen auf dem Arme getragen werden, und auf den Knien wird man sie liebkosen. 13 Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden. 14 Ihr werdet's sehen und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras. Dann wird man erkennen die Hand des HERRN an seinen Knechten und den Zorn an seinen Feinden.

(Jesaja 66, 10. 12 – 14)

„Jerusalem, Jerusalem, leg dein Gewand der Trauer ab!“ Die Freude soll eine doppelte sein: die Stadt soll aufgebaut werden und das Volk eine Erneuerung erfahren. Eine erneuerte Stadt ohne ein erneuertes Volk macht keinen Sinn. Eines bedingt das andere.

Vergangenheit und Gegenwart werden hineingenommen in eine großartige Zukunft.  Vorher war Not, jetzt soll es Lebensfülle geben. Eine Fülle und Ganzheit, die nur Gottes Liebe bewirken kann; sie schwallt nun über jene, die seinen Trost empfangen.

Leid und Schmerz sollen nun von der Freude abgelöst werden, die wiederum ihren Ursprung in der Zusage Gottes hat.

Jerusalem wird verglichen mit einer stillenden Mutter. Ein Säugling kommt an der Mutterbrust zur Ruhe und weiß sich dort tief geborgen. So wird es Israel gehen, wenn die Stadt wieder aufgebaut wird. Doch letztlich ist es Gott, der sein Volk wie eine tröstende Mutter umsorgt. Er ist es, der Jerusalem Frieden gibt.

Israel sollte die waltende Hand des Herrn an sich erkennen. Der Einzelne und das Volk sollen wieder Hoffnung haben. Man kann sich vorstellen, wie die Menschen – es sind ja verzweifelte Menschen - die Verheißung des Propheten wie ein Schwamm aufsaugten.

Liebe Zuhörer, Hoffnung kann Einzelne und ganze Nationen am Leben erhalten. Was machst du, wenn du ganz unten bist? Es gibt Menschen, die ziehen sich zurück, andere suchen Zerstreuung, manche werden depressiv, andere geben sich ganz auf. Und dann gibt es auch welche, die suchen Halt im Glauben und im Gebet.

Aktuell: Gerade in unserer heutigen Zeit mit den vielen negativen Nachrichten, die wie ein Lauffeuer um die gesamte Weltkugel eilen, ist es wichtig, daß wir nicht verzagen, nicht den Mut verlieren, sondern uns Gott zuwenden, um bei ihm Hilfe zu suchen! Sicher, wir Christen haben uns in den letzten Jahren immer mehr von Gott entfernt, wie das Volk Israel damals, das nicht Buße getan hat und deshalb das Exil in Babylonien in Kauf nehmen musste.

Hier ist die Aufforderung des Propheten mehr als angebracht: Freuet euch und seid fröhlich!  Sucht bei Gott Zuflucht und Hilfe! Wo Gott nicht hilft, sind wir Menschen verloren!

Der Prophet sagt: Wenn du ganz unten bist – freue dich. Nicht weil du ein freudiges Gefühl hast, sondern weil du ein Kind Gottes bist, weil Gott dich nicht aufgibt. Auch wenn das Leben hoffnungslos scheint: Freue dich! So wie Gott Jerusalem wiederaufbauen will, so sollst auch du wiederhergestellt werden.

Zeichenhaft erfahren wir das im Heiligen Abendmahl.

Mit Brot und Wein verinnerlichen wir die Verheißung Gottes. Durch Leiden und Sterben Jesu hat er eine Hoffnung und Freude bereitet, die trägt. Hier erfahren wir die Ganzheit des Lebens. Das Heilige Abendmahl ist geeignet, die Freude zu betonen, auch wenn Trauer und Leid das Leben vordergründig bestimmen. Der Empfang des Sakraments ist nicht abhängig von unserer Verfassung, von unserem Gefühl, sondern hängt einzig und allein an Gottes Verheißung. Der Empfang ist ein Akt des Gehorsams, ist Antwort auf Gottes Wort.

Unser Herr und Heiland Jesus Christus hat verheißen bei uns zu sein bis ans Ende der Welt. Das nehmen wir im Abendmahl für uns in Anspruch.

Liebe Zuhörer, das Heilige Abendmahl übersteigt unser Verstehen. Es ist ein Vorgeschmack auf die himmlische Heimat. Das himmlische Jerusalem kann nicht zerstört werden. Dahin will uns Gott (zurück)führen.

Ihr werdet ’s sehen und euer Herz soll sich freuen, sagt Jesaja.

Darum: „Laetare!“ Freuet euch und seid fröhlich!

Amen.