"Mehr als ein Symbol"


Mirela Oprea (Foto: Kleo's Photography)

Mirela Oprea, wir feiern in diesem Jahr 30 Jahre Ordination der Frauen in der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien. Warum findest Du es als Psychologin und  Psychotherapeutin wichtig, dass ein solches Jubiläum gefeiert und an die Geschichte von Frauen erinnert wird?

Als Psychologin, die sich auf soziale und verhaltensbezogene Veränderungsprozesse spezialisiert hat, und als zukunftsorientierte Psychotherapeutin bin ich zutiefst beunruhigt darüber, dass unsere Gesellschaft den Beitrag von Frauen zur sozialen, kulturellen und geistigen Entwicklung so wenig anerkennt. Geschichte und Gegenwart wird immer noch aus einer vorwiegend männlichen Perspektive dargestellt, was zu einer verzerrten Sicht auf Ereignisse und Kulturen führen kann.

Ein Narrativ aus der Perspektive von Frauen einzubeziehen, hätte nicht nur einen symbolischen Wert, es hätte konkrete Auswirkungen auf unser heutiges Leben. Denn viele der heutigen öffentlichen Maßnahmen werden auf der Grundlage eines männlichen Narrativs und aufgrund männlicher Bedürfnisse konzipiert. Die Folgen davon sind oft ‚nur‘ diskriminierend, manchmal sind sie aber auch tödlich. Ich glaube, nur wenige wissen, dass die meisten Medikamente nur an Männern getestet werden, was erhebliche Auswirkungen auf ihre Wirksamkeit bei Frauen hat, da die Physiologie und der Stoffwechsel von Frauen anders sind.

Oder nehmen wir ein anderes Beispiel: Gestaltung und Umsetzung der städtischen Infrastruktur. Studien zeigen, dass Frauen häufiger als Männer öffentliche Verkehrsmittel benutzen und unterwegs mehrere Erledigungen abarbeiten. Dennoch konzentriert sich die Stadtplanung häufig auf direkte Pendlerrouten, die traditionelle männliche Arbeitsmuster begünstigen und die Komplexität der täglichen Bewegungen von Frauen ignorieren. Dies erhöht nicht nur die Ineffizienz und den Stress im Leben der Frauen, sondern sorgt auch für eine bauliche Umgebung, die geschlechtsspezifische Ungleichheiten widerspiegelt und aufrechterhält.

Ebenso wurden die spezifischen spirituellen Bedürfnisse von Frauen lange Zeit denen der Männer gleichgestellt oder in den Hintergrund gedrängt. Das kommt natürlich daher, dass die geistliche Leitung in allen großen Religionen und christlichen Traditionen mit wenigen Ausnahmen das Vorrecht der Männer war. Die Stimmen der weiblichen Geistlichen wurden oft eingeschüchtert, unterdrückt oder verzerrt. Wo dies nicht möglich war, wurden sie sorgfältig kooptiert und dem männlichen Diskurs untergeordnet. Darüber hinaus können Frauen in vielen Religionen nicht zu Priestern geweiht oder zu Pfarrerinnen ordiniert werden, noch weniger wichtige Ämter bekleiden. In den Kirchen, in denen Frauen ordiniert werden, kommen diese oft unter solchen Druck, wie sie ihre männlichen Kollegen niemals erleben würden. Die Folgen insgesamt sind mit bloßem Auge zu sehen. Selbst wenn diese gerne  anderen Dynamiken zugeschrieben werden, hat es etwas damit zu tun, wie Frauen in der Kirche behandelt werden: Viele Frauen wenden sich von der Kirche ab, dort, wo sie eine solche Diskriminierung nicht mehr dulden möchten. Oder sie lehnen Rituale ab, in denen sie nicht vorkommen, ahmen dann eine Beteiligung nach, die sie in ihrem Herzen nicht mehr spüren. Man wird mir vielleicht sagen: Aber wie denn, die Kirchen sind doch voll von Frauen! Und ich sage: Möglich, aber schauen Sie sich das Durchschnittsalter dieser Frauen an, ihr psychodemographisches Profil, ihre Rolle, die sie inne haben. Und dann überlegen Sie, wie  anders es sein könnte, wenn sich diese Frauen in ihrer ganzen Kraft und Schönheit in der Kirche entfalten könnten. Wenn ihre Gaben gefragt und gefördert würden.

Es ist klar, wenn sich etwas ändern soll, dann nur mit einem Bewusstseinswandel, der bewirkt, dass alle Stimmen im kollektiven Diskurs gleichermaßen berücksichtigt werden. Das gibt den Frauen ihre Würde zurück – und auch den Männern.

Mirela Oprea ist Doktorin der Politik- und Sozialwissenschaften, Expertin für soziale und gesellschaftliche Verhaltensänderungen, Psychotherapeutin. Sie hat die Methode COPIL®- entwickelt, die Menschen dabei hilft, ihre persönlichen Ziele umzusetzen. Sie ist orthodoxe Christin.

Reihe der Wortmeldungen aus der Ökumene, besorgt von Elfriede Dörr