Nachruf auf den Kirchenmann und Altdechanten Michael Schuller (1930 – 2025)


Pfarrer Michael Schuller gehörte zu den prägenden evangelischen Kirchenpersönlichkeiten der 70er und 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts in Siebenbürgen.

Michael Schuller war ein prägender Kirchenmann unserer Evangelischen Kirche in Rumänien. Zwei Mandate lang leitete er das damalige Dekanat Bistritz (1964-1972) und vier Mandate (1978-1994) das Dekanat Hermannstadt. Dazu war er Mitglied im Landeskonsistorium und Bischofsvikar.  In einem Beileidsschreiben und einem Nachruf würdigen Bischof Reinhart Guib und Hauptanwalt Friedrich Gunesch sowie Bezirksdechant Dietrich Galter sein Lebenswerk.

Als Dechant und Mitglied im Landeskonsistorium beschäftigte er sich intensiv mit der Entwicklung unserer Kirche in Siebenbürgen. In seiner langen Dienstzeit hat er viele Umbrüche erlebt und musste in schwierigen Zeiten die Geschicke unserer Gemeinden mitgestalten. Das tat er von seiner Glaubenseinstellung her, mit Besonnenheit, aber auch mit dem Blick nach vorne, in dem Wissen und Vertrauen, dass Gott weitere Möglichkeiten und Varianten kennt als wir Menschen. In seinem Dienst als Pfarrer und Dechant war er den Menschen nahe und nahm ihre Anliegen sehr ernst. Er begleitete viele Hilfsprojekte und empfing viele ausländische Delegationen. Daraus entstanden wichtige Freundschaften und Verbindungen, die auch für die Zukunft unserer Kirche prägend waren.

In einer kinderreichen Familie in Martinsdorf (Metiș) aufgewachsen (acht von zehn Kindern überleben), muss er schon früh das Elternhaus verlassen, da er die Deutsche Schule in Mediasch besucht und dort im Internat wohnt. Nach dem Bakalaureat sollte er zunächst Apotheker werden, begann dann aber Agrarwissenschaft in Jassy zu studieren. Nach einem Jahr folgte er dem Ruf der Theologie nach Klausenburg, die er 1955 absolvierte. Anschließend wurde er in den Pfarrdienst entsandt.

Seine erste Gemeinde war dann Petersdorf bei Bistritz (Petriș). Erst wollte er gar nicht hin, dann blieb er achtzehn Jahre. Hier lernte er auch seine Frau Gertrud, geb. Skaloud aus Bistritz, kennen und lieben, hier wurden auch ihre drei Kinder Norbert, Sigrid und Ute geboren. In Nordsiebenbürgen erlebte er in seiner Dienstzeit, dass die Gemeinden durch die Auswanderung drastisch zu schrumpfen begannen.

In den Gemeinden gab es durch die Evakuierung und Flucht von 1944 immer noch große Armut und desolate Zustände, wo sich der junge Pfarrer zurechtfinden musste. Dennoch ist ihm die Gemeinde Petersdorf und das ganze Nösnerland sehr ans Herz gewachsen und nur schweren Herzens und vor allem wegen des Schulbesuchs der Kinder nahm er den Ruf nach Hammersdorf 1973 an.

Hier erwarteten ihn neue Herausforderungen. Vor allem die Bedrohung durch die Securitate machten ihm zu schaffen. Als Dechant lud er die Pfarrer zu den monatlichen Pfarrersitzungen ein, und meist war auch ein Vertreter des damaligen Politbüros dabei anwesend. Dennoch sind auch Zeichen von neuen Aufbrüchen erkennbar. Die Pfarrfrauen sammeln sich um Bischofsgattin Maria Klein und führen den Weltgebetstag der Frauen ein (WGT), und Gertrud Schuller, seine Ehegattin, ist auch dabei als eine Frau der ersten Stunde.

Es werden Renovierungsarbeiten an der Kirche und Ringmauer in Hammersdorf durchgeführt, im Pfarrhaus wird eine Zentralheizung und in der Kirche eine Lautsprecheranlage eingebaut, im romanischen Kirchturm ein elektrisches Geläute. Es beginnen Hilfstransporte zu kommen, die verteilt werden müssen, man feiert immer größere Gemeindefeste, die jungen Vikare bringen frischen Wind in die Gottesdienste. Man beschränkt sich auf den Raum der Gemeinde, aber dieser wird als Glaubensraum gelebt. Das hat bei allen nachhaltig weitergewirkt.

Nach der Wende überstürzen sich die Ereignisse; es kommen viele Hilfstransporte aber auch viele Gemeindeglieder verlassen fast fluchtartig ihre Heimat. Bischof Albert Klein verstirbt und Christoph Klein wird zum neuen Bischof gewählt. In diesen Umbruchszeiten bewährt sich Michael Schuller als der treue Kirchenmann, der seiner Lebens- und Glaubenseinstellung treu bleibt. Dies wird auch offiziell durch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes I. Klasse durch Bundepräsident Richard von Weizäcker in Bukarest 1992 gewürdigt.

Doch mit der Zeit gehen immer mehr Pfarrfamilien, zum Teil wegen der Kinder, nach Deutschland. Michael Schuller wird 1994 pensioniert und übergibt das Hermannstädter Dekanat an Pfarrer Klaus Peter Barth. Familie Schuller folgt dem Ruf ihrer Kinder nach Deutschland und sie finden schnell ein neues Zuhause in der schönen Donaustadt Ulm.

Michael Schuller wird Leiter des Frauenkreises des GAW in Ulm und auch sonst betätigt er sich aktiv in den kirchlichen Kreisen. Ihm war wichtig, dass er noch gebraucht wird und seinen Dienst als Geistlicher und Seelsorger weiterhin ausrichten kann. Seine Vorbilder waren die großen Zeugen des Glaubens aus der Geschichte. Auch Michael Schuller wurde durch seinen bewegten Lebensweg zum Zeugen des Glaubens, der auch unsere siebenbürgische Geschichte prägte.

Dietrich Galter

 

In einem Kondolenzbrief schreiben der Bischof der Evangelischen Kirche AB, Reinhart Guib und Hauptanwalt Friedrich Gunesch folgende Zeilen:

„Die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien, viele Kirchengemeinden in Nord-und Südsiebenbürgen, das Landeskonsistorium und seine Kanzlei, der Bischof und der Hauptanwalt persönlich, trauern um diesen liebenswerten Menschen und treuen Freund seiner Heimatkirche.

 

Zugleich sind wir von Herzen für den wichtigen Dienst dankbar, den er in dieser seiner Kirche geleistet hat: als Pfarrer und Seelsorger, als Diakoniker und Verwalter, und das sowohl im Amt des Gemeindepfarrers, des Dechanten, des Bischofssekretärs aber auch in den langjährigen Mandaten im Landeskonsistorium und in der Landeskirchenversammlung.

 ,Höre!"... ,,Hir!"pflegte er, oft auf sächsisch, zu sagen. Tatsächlich ist dieses so etwas wie ein Motto seines Lebens und Wirkens gewesen: das Hören auf Gottes Wort, verbunden aber mit dem Suchen nach Gottes Willen und gefolgt von dem gottgefälligen Handeln.

Ernst und beredt, kommunikativ und den Frieden suchend, mit viel Menschenkenntnis und positiver Kritik, mit herzhaftem Lachen oder auch einem verschmitzten Lächeln - so brachte er den Gegenüber zum Zuhören, zum Mitdenken, zur tatkräftigen Mitarbeit. Er hatte immer ein Wort der Anerkennung, des Dankes bereit und konnte wie kein anderer vermitteln und in der Not helfen.“