Grenzen-Gesichter-Geschwister: Das evangelische Banat


Banater evangelische Pfarrer in Reschitz, während einer Visitation durch Bischof Friedrich Müller-Langenthal im Jahr 1959 (Foto: Archiv / Teutsch-Haus)

In den Jahren nach 2018 gedenkt die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien (EKR) über das Projekt “Grenzen-Gesichter-Geschwister” in besonderer Weise jener Kirchengemeinden, die außerhalb Siebenbürgens leben, und die nach dem Ersten Weltkrieg sich sukzessive der Evangelischen Landeskirche angeschlossen haben.

2019 richtet sich unsere Aufmerksamkeit auf die Banater evangelischen Gemeinden, die heute auf mehrere Landeskirchen, Sprachen und Staaten aufgeteilt sind.

Geschichte bis 1918 

Die protestantische Geschichte des Banats begann in der Reformationszeit. Der Temeswarer Ban serbischer Ethnie Peter Petrovits war ein starker Förderer der Reformation. Der Aufbau evangelischer Strukturen wurde jedoch unterbunden, da die Osmanen 1552 das Banat eroberten und es integrierten. 1718, mit dem Frieden von Passarowitz, als Österreich die Herrschaft übernahm, begann das evangelische Leben wieder. Der Landstrich wurde durch die Habsburger neu besiedelt. Die Siedlungspolitik war anfangs jedoch nicht protestantenfreundlich. Einzelne wurden trotzdem durch private Lokatoren ins Land gebracht. 1778 wurde das Banat von einer Habsburger Krondomäne zu einem Teil Ungarns.

Mit Josef II. und dem Toleranzpatent 1781 änderte sich die religiöse Situation. So konnte beim dritten Schwabenzug 1786 das evangelische Dorf Liebling gegründet werden. Neben unterschiedlichen deutschen Gruppen wurden auch evangelische Slowaken aus Oberungarn kolonisiert. Durch neue Besiedlung und Binnenwanderung verstreuten sich die evangelischen Deutschen in Landgemeinden, Bergbauorte und Städte. Sie machten nie mehr als zehn Prozent der 320.000 Banater Schwaben und Berglanddeutschen aus. Die Kirchengemeinden waren multiethnisch und multikonfessionell: lutherisch, reformiert, uniert, deutsch, ungarisch, slowakisch. Die Gemeinden begannen sich im 19. Jahrhundert zu etablieren, Kirchen und Schulen wurden gebaut und ausgestattet. Durch das ungarische Protestantenpatent von 1859 versuchte Wien allen Kirchen eine einheitliche Ordnung zu geben. Die deutschen evangelischen Gemeinden erhielten eine eigene Superintendentur. Das Patent konnte nicht durchgesetzt werden, weil sich die ungarischen Gemeinden und kirchlichen Strukturen stark dagegen wehrten. So blieben die Banater Teil der ungarischen Montan Superintendentur. Durch den Ausgleich von 1867 wurde die evangelische Kirche zum Instrument der Staatspolitik und ihre Mitglieder blieben in ihrer Identität angefochten. Sie zogen kaisertreu in den großen Krieg.             

Geschichte nach 1918

Am 21. Juni 1919 wurde der Landstrich zwischen Serbien, Rumänien und Ungarn geteilt. Damit wurden die Kirchengemeinden voneinander getrennt und mussten sich in ihren jeweiligen neuen Staaten einrichten. Die mehrheitlich deutschen und slowakischen Gemeinden des rumänischen Banats schlossen sich den Siebenbürger Sachsen an und bildeten innerhalb der Evangelischen Kirche A. B. den Banater Bezirk respektive das slowakische Dekanat Nadlak, welches allerdings 1953 zum Klausenburger Bistum wechselte. Die ungarischen Gemeinden wurden Mitbegründer der neuen Synodal-Presbyterialen Kirche in Rumänien. Die evangelisch-deutschen Banater nutzten zunehmend die siebenbürgische Liturgie, behielten aber einige Eigenheiten.

Die Zwischenkriegszeit radikalisierte auch diese Region. Die Banater Deutschen wurden Teil der Deutschen Volkgruppe in Rumänien und stellten Soldaten für den Krieg. Nach dem Frontwechsel Rumäniens flohen viele vor der Roten Armee in den Westen. Für die Verbliebenen folgte die Deportation in die Sowjetunion und in den Bărăgan, die Enteignung und Kollektivisierung. Zunehmend setzte auch die Aussiedlung nach Deutschland ein. Der eigene Kirchenbezirk wurde wegen Schrumpfung aufgelöst und dem Mühlbacher Bezirk angeschlossen. 1950 haben sich die Banater Schwaben in Deutschland zu einer Landsmannschaft und die Banater Berglanddeutsche 1981 zu einem Heimatverband zusammengeschlossen. In den letzten Jahren des Kommunismus waren nur die Pfarrstellen von Lugosch (bis 1996), Birda (bis 1990), Liebling (bis 1990), Reschitza (bis 2016) sowie Semlak (bis heute) besetzt. Nach der Wende war die Ausdünnung der evangelischen Gemeinden im Banat so massiv, dass außer Gottesdiensten kein weiteres Gemeindeleben mehr möglich war.          

Gegenwart

Im ganzen rumänischen Banat leben heute ca. 250 deutschsprachige Evangelische auf alle Kirchengemeinden verstreut. Sie werden von einem Pfarrer, Walter Sinn, aus Semlak betreut. Im Schulterschluss mit den römisch-katholischen Banater Schwaben kann durch das Demokratische Forum der Deutschen übergemeindliches Leben ein regionales kulturelles Leben organisiert werden. 2017 wird so in Reschitza ein Kirchentag zum Reformationsjubiläum gefeiert, der ökumenisch, interkulturell und international ist. Die Gemeinden aus Temeswar und Arad gehören – neben den slowakischen Gemeinden - der Evangelisch-Lutherischen Schwesterkirche in Klausenburg an und feiern ihre Gottesdienste dreisprachig. Im serbischen Banat gehören die Gemeinden mit denen der Vojvodina und aus Syrmien zu dem slowakisch-evangelischen Bischofssitz in Neusatz (Novi Sad, Ujvidék). Mit ihren rund 50.000 Gemeindegliedern ist diese Kirche die größte protestantische Kirche des ehemaligen Jugoslawien. Das kleine ungarische Banat gehört zu der Süddiözese der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn.    

Durch das Projekt „Gesichter–Grenzen–Geschwister“ versucht die EKR die unterschiedlichen evangelischen Kirchengemeinden mindestens punktuell zu verbinden. 

Dr. Stefan Cosoroabă