Buchpräsentation: Der Religionsunterricht der Minderheiten – die erste gründliche Analyse


Bischof Reinhart Guib, Religionsreferentin Angela Deak, Autorin Gunda Wittig, Dozentin Alina Patru und Pfarrer Gerhard Servatius Depner bei der Buchvorstellung. Bild: hk

Die 2025 im Schiller Verlag erschienene Studie von Gunda Wittich ist die leicht überarbeitete Fassung ihrer an der Universität Paderborn angenommenen Dissertation. Sie widmet sich einem bislang kaum erforschten Themenfeld: dem Religionsunterricht der nationalen und konfessionellen Minderheiten in Rumänien – also jenem Raum, in dem sich Bildungs-, Sprach- und Religionspolitik in besonderer Weise überschneiden. Ausgehend von einem breiten europäischen Horizont verbindet die Autorin also das Allgemeine mit dem Konkreten – den europäischen Bildungsdiskurs mit der gelebten schulischen Realität vor Ort.

Im Zentrum der Studie steht die Frage, wie religiöse Bildung in den verschiedenen Minderheitenschulen Rumäniens – orthodox, evangelisch A.B. (lutherisch), römisch-katholisch, reformiert und unitarisch – konkret gestaltet wird und welche theologischen, pädagogischen und gesellschaftlichen Deutungen sich daraus ableiten lassen. Grundlage bilden umfangreiche Hospitationen an Schulen mit unterschiedlicher konfessioneller und sprachlicher Ausrichtung.

Wittich arbeitet mit der Methode der dichten Beschreibung (nach Clifford Geertz) und verbindet empirische Beobachtungen mit hermeneutisch-theologischer Reflexion. Dadurch entsteht ein lebendiges Bild der Unterrichtssituation: Es fühlt sich an, als träte man persönlich in das Klassenzimmer ein und würde dem Unterricht beiwohnen.

Mit einem beinahe kamerahaften Blick lassen sich die äußeren Bedingungen wahrnehmen, während die dargestellten Themen inhaltlich auf die Lesenden wirken. Dabei zeigt sich eine große Vielfalt – sowohl in konfessioneller Hinsicht als auch in den Methoden der Unterrichtsgestaltung.

Im Rahmen ihrer Untersuchung beschreibt Wittich auch die Einstellungen der Lehrkräfte zu ihrem Beruf: Trotz mancher Herausforderungen – etwa der Tatsache, dass Religion häufig ein Wahlfach ist – zeigen die Befragten eine hohe Identifikation mit ihrer Arbeit und eine bemerkenswerte pädagogische Reflexionsbereitschaft. Ebenso interessiert sich Wittich für die Wahrnehmung der Lehrenden durch die Schülerinnen und Schüler, die sie als einen wichtigen Indikator für die Qualität religiöser Bildungsprozesse versteht.

Das Werk gliedert sich in fünf Teile:

Einleitung und Grundlagen – theoretische und methodische Rahmung, inklusive einer Reflexion über Minderheiten, Religion und Bildung in Europa.

Hospitationen – konkrete Unterrichtsbeobachtungen in verschiedenen Schulkontexten mit detaillierten Fallbeispielen.

Tiefenbohrungen – thematische Vertiefungen zu den Fragen der Kompetenzorientierung, der Wahrnehmung des Anderen und der Demokratieerziehung im Religionsunterricht.

Zusammenfassung und Ausblick – Synthese der Ergebnisse und Perspektiven für die Weiterentwicklung religiöser Bildung.

Anhang – mit Lehrplänen, Schulbüchern und Literaturverzeichnis.

Die Autorin zeigt, dass der Religionsunterricht der Minderheiten in Rumänien stark von historischen, sprachlichen und kirchlichen Traditionen geprägt ist. Zugleich stehen diese Bildungsräume zunehmend im Spannungsfeld europäischer Diskurse über Kompetenzen, Partizipation und Werteerziehung. Ein zentrales Anliegen der Autorin ist die Demokratieerziehung als Bestandteil religiöser Bildung. Der Religionsunterricht – so ihr Fazit – kann einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Toleranz, Empathie und interkultureller Verständigung leisten, insbesondere in pluralen Gesellschaften.

Methodisch überzeugt die Studie durch die Verbindung qualitativer Empirie mit theologischer Hermeneutik; inhaltlich durch die Sensibilität für sprachliche, kulturelle und konfessionelle Differenzen im rumänischen Bildungssystem. Wittich gelingt es, die Spannungen zwischen nationalen Bildungszielen, konfessioneller Identitätsbildung und europäischen Integrationsanforderungen präzise herauszuarbeiten. Ihre Arbeit schließt damit eine Forschungslücke zwischen Religionspädagogik, Minderheitenforschung und europäischer Bildungspolitik.

Insgesamt stellt das Werk einen bedeutenden Beitrag zur religionspädagogischen Forschung im osteuropäischen Kontext dar. Es bietet nicht nur empirisch fundierte Einblicke in eine bislang wenig erforschte Bildungslandschaft, sondern eröffnet zugleich neue Perspektiven für den interkonfessionellen und interkulturellen Dialog sowie für die Frage nach der Vermittlung demokratischer Werte im Religionsunterricht.

Gunda Wittich: Der schulische Religionsunterricht der Minderheiten in Rumänien. Eine Wahrnehmung und Deutung im europäischen Bildungskontext aus evangelischer Perspektive. Hermannstadt/Bonn: Schiller Verlag 2025, 294 Seiten. 59 Lei.

Angela Deak