"Berufen"


Pfarrer Kurt Boltres

Auch am 9. Trinitatissonntag, 9. August 2020, kommt die Textpredigt für unsere geistliche Internetbetreuung auf der landeskirchlichen Webseite evang.ro von Pfarrer Kurt Boltres, der für die Kirchengemeinden Rosenau und Honigberg im siebenbürgischen Südosten zuständig ist.

Wir lesen Gottes Wort im Buch des Propheten Jeremija 1,4-10:

4 Und des HERRN Wort geschah zu mir: 5 Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die Völker. 6 Ich aber sprach: Ach, Herr HERR, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung. 7 Der HERR sprach aber zu mir: Sage nicht: »Ich bin zu jung«, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete.
8 Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten, spricht der HERR. 9 Und der HERR streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund. 10 Siehe, ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde,

ich erinnere mich auch heute noch an die lebhaften Unterrichtsstunden in Naturkunde, die ich in der Grundschule erlebt habe. Diese Unterrichtsstunden waren verbunden mit einem Lehrer, den die ganze Schule mochte. Denn dieser Lehrer war tatsächlich zum Lehrer geboren und alles passte bei ihm zusammen: der Broterwerb, der Beruf und die Berufung, alles kam bei ihm zusammen. Und wenn die einzelnen Jahrgänge sich an ihn erinnerten, so geschah dies mit viel Respekt und Ehrerbietung. Nachdem er in den 70er Jahren ausgewandert war, trauerte die ganze Schule um ihn. Aber auch in Deutschland war er hoch geschätzt und brachte es bis zum Rektor einer bedeutenden Schule.

Was er gern tat und wofür er geeignet war, das fügte sich bei ihm auf Millimeter zusammen. Die Gaben und Begabungen sprudelten aus ihm hervor, als wäre er ein ewiger Brunnen von wunderbaren Ideen und Gestaltungsmöglichkeiten. Seine Kolaborierung mit der Securitate hat man ihm verziehen, weil man nur seine Stärken und seine Begabungen gesehen hat. Seine Schwächen hingegen kannte nur die Familie und Gott selber, dem er sich in den letzten Lebensjahren besonders anvertraut hatte.

Heute haben wir einen Mann vor uns, der sich getraute seine Stärken und Schwächen  offen vor  Gott auszubreiten. Es ist ein Mann der Bibel, bei dem Beruf und Berufung ganz und gar nicht übereinstimen. Er wehrt sich ständig den Auftrag Gottes zu befolgen. Doch er musste den Auftrag Gottes befolgen und im entscheidenden Moment alles liegen lassen, um Gottes Willen zu verkündigen. Wäre es nach ihm gegangen, so wäre aus ihm alles andere als ein Prophet geworden. Er selbst, Jeremija, hielt sich für den Beruf des Prophet für ungeeignet. „Ach Herr ... ich tauge nicht zu predigen ...“ – lässt er uns wissen. Es fehlen ihm die Ideen, es fehlen ihm die Worte, die Beispiele, und auch die Begabung Gottes Wort zeitgemäß zu verkündigen. Eine originelle Formulierung einer Predigt, so wie das die Priester im Tempel von Jerusalem tun, das war ihm fremd. Er konnte nicht selbstbewusst von sich sagen: das sind meine Stärken und das sind meine Schwächen. Dann fragen wir uns: war Jeremija wirklich geeignet für diese Aufgabe, für den Predigtdienst und gar die Prophetie?

Und eben so, wie wir dies im Stillen tun, brachte auch Jeremija eine Menge von Einwänden gegen seine Berufung vor, gegen das Predigen, die mangelhafte Erfahrung und und auch seine frühe Jugend. Aber Gott ließ seine Argumente nicht gelten, er ließ es nicht zu. Gott legte ihm die Worte in den Mund und zeigte ihm den Weg, den er gehen sollte. Er aktivierte sozusagen alle notwendigen Gaben und Begabungen in dem Menschen Jeremija für den Auftrag, für den neuen Dienst der Prophetie. So wurde aus dem widerspenstigen Jeremija ein bedeutender Prophet.

Auch wir sind für manche Berufe nicht geeignet. Auch wir quälen uns manchmal mit Reparaturen herum, die man lieber einem Fachmann überlassen müsste. In unserem Haus haben wir die Wohnung meiner verstorbenen Mutter renoviert. Reparaturen, Malerarbeit, Instalationsarbeit, Fließen und Laminatfußboden – alles wurde Planmäßig durchgeführt. Um Geld zu sparen habe auch ich mitgeholfen. Ich war jedoch bei der Instalation eines Waschbeckens nicht klug genug und hatte auch die Erfahrung dazu nicht. Das Waschbecken war schief und undicht, und es musste vom Fachmann neu angerichtet werden, weil das Wasser an vielen Stellen tropfte. Doppelte Arbeit ! Ich „pricepiere“ mich in verschiedenen Sachen, - sagt man heute und nehme mich vieler Dinge an, aber ein „profesionist“ bin ich ganz und gar nicht. Und mein „pricepieren“, meine gutgläubige Handfertigkeit, habe ich bereits mit vielen Rippenbrüchen, Gelenkverletzungen und Rißwunden bezahlt.

So auch in unserer jetzigen politischen und medizinischen Krise hat es sich erwiesen, dass die Berechnungen der Politiker nicht aufgehen. Vor allem die ehemalige Regierungspartei, die eine lächerliche Premierministerin stellte, - da hat es sich erwiesen, daß sie tatsächlich den falschen Beruf eingenommen hatte. Bei ihr und bei vielen anderen aus der Gruppe der PSD passte das geflügelte Wort: Schuster bleib bei deinem Leisten! Ihnen sind die leeren Kassen des Gesundheitsministeriums zuzuschreiben, wie auch die schmerzhafte Not der vielen kranken Menschen, weil sie sich selbst in die hohen Posten berufen haben. Kompetenzen, Erfahrungen, Können und Wissen sind da rar gesät. Lauter hohle Köpfe, lästern man in höheren Kreisen.

Jeremija wäre auch viel zu gerne bei seinem Leisten geblieben, aber Gott hat es nicht zugelassen. Er hatt ihn gerufen und berufen. Das heißt er hat ihn in seinen Dienst gerufen und ihn mit Gaben und Begabungen ausgestattet. Er hat ihm ein Charisma verliehen, welches alle Menschen auf die Botschaft aufhorchen ließ, auch wenn diese nicht immer dem Zeitgeist entsprach. Darum musste der Prophet Jeremija auch viel leiden, viele Demütigungen sich anhören und Kränkungen einstecken. Er hat sich jedoch nie dem Willen Gottes ganz wiedersetzt. Er hat zwar dagegen anfangs argumentiert, doch fortan seiner Berufung gemäß gelebt und prophezeiht.

Für seine Kirche auf Erden braucht unser Gott solche Christen, die einfach seinem Willen folgen. Und Gottes Wille ist erkennbar, wo immer man steht: im Beruf, in der Familie, in der Gesellschaft. Gott braucht nicht etwa Superchristen, die von sich eingenommen alles besser wissen und alles besser machen. Er braucht nicht Superchristen, die eine Kirchenordnung durcheinander bringen und von ihrem eigenen Engagement so eingenommen sind, dass sie sich selbst schon im Himmel sehen. Gott braucht auch nicht wortgewandte Prediger, die in ihrer Vernunft Worte aneinader reihen  können, die bekannt und logisch klingen. Gott braucht Leute aus dem Volk. Gott braucht normale Leute, die mit dem armseligen Glauben eines einfachen Menschen etwas bewegen. In kleinen Schritten, bescheiden – aber als festes Zeichen für die Zukunft. Auch wenn unter den Christen zu viele Fragen aufkommen und keine Strategie der Kirchenplanung zu sehen ist, so weiß Gott ganz genau, was mit solchen normalen Christen anzufangen. Wenn also Gott Menschen in seinen Dienst ruft, so wird er sie mit einer besonderen Berufung ausstatten. Er wird ihnen Gaben und Begabungen schenken und ihnen in allen Situationen beistehen.

Jeremija war ein einfacher Priestersohn aus der Provinz und stand keinesfalls im Rampenlicht der Ereignisse. Er kannte keine politischen Entscheidungen, obwohl das Land von allen Seiten bedrängt wurde. Das Nordreich war schon längst untergegangen, nur noch das Südreich Juda mit der Hauptstadt Jerusalem stand. Ägypter, Assyrer und Babylonier bedrohten das Land und rieben es schließlich auch auf. Es folgte eine 200-jährige schwere Deportation.
Gerade in dieser unsteten Zeit musste Jeremija dem Volk die Wahrheit sagen, auch wenn diese nicht immer zum Zeitgeist passte. „Bin ich nur ein Gott, der nahe ist ... Ist mein Wort nicht wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt“. 

Wegen diesen drohenden Worten musste Jeremija viel Spott einstecken. Selbst die eigenen Verwandten wollten nichts mehr von ihm wissen und trachteten ihm sogar nach dem Leben. Er hatte große Konflikte auszustehen mit König und den Staatsmännern und sogar mit der Tempelpolizei. Nach der eingetretenen Katastrophe, wo Jerusalem dem Feind zum Opfer gefallen war, klang die Botschaft als Trostwort des Herrn anders: „Wenn ihr mich von ganzem Herzen rufen werdet, so will ich mich von euch finden lassen“.

Jedoch in allen Situationen, in Bedrohung oder in Not, hatte Jeremija Gott zur Seite. Er hatte den Zuspruch Gottes, der ihm am Anfang gegeben wurde: Fürchte dich nicht, denn  ich bin bei dir, ich will dich erretten. Es war ein Zuspruch, der im Kleinen, wie auch im Großen zu wirken begann.

Das geschieht bei allen berufenen Menschen. Von diesen strahlt nämlich ein Karma aus, welches nicht zu beschreiben ist. Man kann eigentlich in solchen Fällen nur von begnadeten Menschen sprechen. So wie der Lehrer, den ich anfangs erwähnte. Er war begnadet durch und durch und nur diese Seite seines vielseitig geprüften Lebens ließ er durchblicken.

Diejenigen jedoch, die in falschen Berufskategorien herumprobieren und womöglich ein ganzes Volk ins Elend stürzen, sollten sich zurückziehen. Sie sollten „demissionieren“, denn in Ungnade zu fallen, ist keine angenehme Sache. Und wenn Gott jemanden fallen lässt, so geschieht das oft schon hier oder sicherlich beim ewigen Gericht.

Aber Gott sei dank, dass wir in Jesus Christus eine Chance der Rettung bekommen haben. Jedoch nur der Glaube an Christus und die Gnade Gottes gibt uns eine Garantie dafür.

Lied: EG 320,1-5