Auch in Siebenbürgen feiern wir den Reformationstag


Vor allem ihm haben die Siebenbürger Sachsen es zu verdanken, dass sie evangelische Christen wurden: Johannes Honterus vor der Schwarzen Kirche.

Bekanntlich erinnert uns der Reformationstag an den Aufbruch, den Martin Luther mit seinen Thesen in Wittenberg auslöste – ein Aufbruch, der auch bis zu uns nach Siebenbürgen reichte. Bereits im frühen 16. Jahrhundert gelangten reformatorische Gedanken  in unsere Region – allen voran durch Johannes Honterus.

Es entwickelte sich daraus eine besondere Form des evangelischen Lebens. Die Landtage beschlossen früh eine religiöse Toleranz, die das Fürstentum zu einer „Pionierregion frühneuzeitlicher Religionsfreiheit“ machte. Kirchen, Schulen und Gemeinden wurden zu Zentren des Glaubens und der Bildung. Die Reformation war hier nicht nur ein theologischer Wandel – sie wurde zur Grundlage für ein evangelisches Gemeindeleben, das bis heute trägt.

In einem aktuellen Andachtstext hat sich Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli ein paar Gedanken zum Reformationstag gemacht - und zwar diesmal über die Seligpreisungen Jesu: Math. 5, 5 und 7.

„In der liturgischen Leseordnung der katholischen Kirche werden am 1. November, dem Gedenktag der Heiligen, die berühmten Seligpreisungen des Herrn verlesen. Diese bilden den Auftakt zu der berühmtesten Rede Jesu, der sogenannten Bergpredigt (Math. 5, 1-10). Der Reformationstag hat die gleiche Lesung allerdings mit einer theologischen Akzentverschiebung. 

Als „selig“ werden nun nicht mehr solche Menschen betrachtet, die durch bestimmte Leistungen und exemplarischen Glauben einen bestimmten Status im Jenseits erreicht haben. Luther bezeichnet als „selig“ alle Menschen, die aus der Taufe gekrochen sind und die somit einen klaren Auftrag erhalten haben. Dieser Auftrag wird im Einzelnen durch die Seligpreisungen dargelegt. Sie bilden das Grundgesetz des Reiches Gottes.

Alle Getauften werden zu einem konkreten Handeln im Diesseits aufgerufen. Somit wird das Anpacken, das Wirken für das Evangelium und das Reich Gottes ein konkretes Kennzeichen reformatorischer Ethik. Es setzt voraus, dass man mit den gegebenen Umständen nicht zufrieden ist und dass sich etwas ändern muss. Das Wort „selig“ (gr. Makarios) meint nicht nur eine zukünftige Vertröstung, sondern ein gegenwärtiges, tiefes Glück und ein gelungenes Leben, das in Gottes Augen wertvoll ist. Man könnte auch sagen, es ist ein göttliches Qualitätsurteil.

Welche Handelnde werden nun seliggesprochen?! Nehmen wir als Beispiel die dritte Seligpreisung: Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen (Math 5, 7). Obwohl das Wort „Sanftmut“ heute nicht mehr so geläufig ist, verbirgt sich dahinter eine große Aussagekraft. Der griechische Begriff bezieht sich auf ein gezähmtes Tier.

Sanftmut hat also weniger mit Schwachheit zu tun, sondern mit der Fähigkeit sich zu zähmen, sich zurückzuhalten. Dies ist oft eine wahre Kunst. Es ist nicht immer einfach sich in Augenblicken der Wut oder in Kontroversgesprächen zu zähmen. Jesus selber kann uns ein gutes Vorbild geben. Er hat zum Beispiel im Falle der Tempelreinigung (Mk 11, 15-18) zu einer, nennen wir sie, aktiven Sanftmut gegriffen.

Er hat die Geldwechsler und Händler vertrieben, um zu verdeutlichen, dass der Tempel kein Ort des Geschäftes und des Feilschens ist, sondern eine andere Zweckbestimmung hat, jene der Anbetung. Seine Sanftmut war in diesem Kontext korrigierend. Nicht so bei seiner Verhaftung (Luk 22, 47-53). Da hat er in passiver Sanftmut jede Art von Verteidigung abgewehrt.

Es musste sich das Wort der Verheißung erfüllen und deshalb kamen keine Engelslegionen zu Hilfe und das Schwert sollte eingesteckt bleiben. Solche, die sich zähmen können, welche die Kunst besitzen sich zurückzuhalten und kontrolliert ihren Einfluss und ihre Stärke einsetzen können, denen soll das Erdreich gehören. Diese Seligpreisung stellt die Logik der Welt auf den Kopf, in der oft die Aggressiven und Rücksichtslosen erfolgreich sind, die sogar über Leichen gehen. Nicht diese sollen das Erdreich besitzen, sondern alle die nicht auf Vergeltung und Härte setzen. 

In einer weiteren Seligpreisung nennt Jesus solche glücklich, die Barmherzigkeit pflegen: Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen (Math 5, 7). Barmherzigkeit hat mit zwei Sachen zu tun. Zum einen stellt sich die Barmherzigkeit gegen jegliche Form von Stumpfheit. Wir leben in einer Zeit der Überflutung mit Nachrichten, die uns täglich das Mitleid hervorrufen sollen.

Dadurch aber ist das Gegenteil geschehen - wir sind abgestumpft und bleiben immun gegenüber Elend und Misere. Die meisten sind unempfindlich geworden und das führt oft dahin, dass wir ein ähnliches Verhalten entwickeln, wie der Priester und der Levit aus dem berühmten Gleichnis vom barmherzigen Samariter: Wir gehen einfach weiter (Luk 10, 29-37). Aber das kann keine Barmherzigkeit sein. Diese Haltung kommt aus dem Herzen.

Somit komme ich zum Zweiten. Im deutschen Wort Barmherzigkeit steckt das Herz mittendrin. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass es Menschen geben soll, die ihre Achtung so zum Ausdruck bringen, indem sie sich mit der Herzseite ihrem Mitmenschen zuwenden. Versuchen wir das doch auch mal. Wenden wir uns dem Nächsten zu, indem wir unser Herz öffnen und nicht einfach weiter gehen.

Innehalten, aufhorchen, nachempfinden, gelassener werden für die Not, die laute und stille, all jener, die mit uns leben, wirken und arbeiten. Es braucht nicht viel, um Barmherzigkeit zu üben. Es braucht nicht viel, um mit dem Herzen zu sehen, wie es Antoine de Saint-Exupéry gesagt hat: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist unsichtbar für die Augen”.

Manchmal reicht eine Umarmung oder ein Anruf oder ein stärkendes Wort und manchmal auch ein kräftiges Spenden und konkrete Hilfsaktionen. Jesus nennt alle selig, die aufhören stumpf zu sein, die ihr Herz nicht weiter verhärten. Unter Christen sollte nämlich diese Regel gelten, die in der Bergpredigt als die goldene genannt wird: Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! (Matth 7, 12).

Martin Luther an den christlichen Adel (1520): „Alle Christen sind wahrhaftig geistlichen Standes, und ist unter Ihnen kein Unterschied dann des Amts halben allein… Demnach so werden wir allesamt durch die Taufe zu Priestern geweiht. Was aus der Taufe gekrochen ist, das mag sich rühmen, dass es schon Priester, Bischof und Papst geweiht sei, obwohl es nicht jedem ziemt, dieses Amt auch auszuüben.“