450 Jahre interkonfessionelle Toleranz in Siebenbürgen


450 Jahre Edikt von Thorenburg: Gedenkinschrift in deutscher Sprache. - Bild: Friedrich Philippi

Am 13. Januar 1568 fasste der Siebenbürgische Landtag unter König Johann Sigismund Zápolya einen Beschluss über religiöse Toleranz, der als "Edikt von Thorenburg" in die Geschichte eingehen sollte. Mit diesem für seine Zeit einzigartigen Dokument wurde das Land zum Vorreiter in der zentralen Angelegenheit der Religionsfreiheit.

450 Jahre nach dem seinerzeitigen Landtag trafen sich Vertreterinnen und Vertreter der historischen siebenbürgischen Kirchen, um in Thorenburg dem wichtigen Edikt des 16. Jahrhunderts zu gedenken. Weitere Veranstaltungen anlässlich dieser für die Entwicklung Siebenbürgens so wichtigen Begebenheit werden im Verlauf des Jahres 2018 noch folgen.

Bischof Reinhart Guib und Landeskirchenkurator Prof. Friedrich Philippi führten die Delegation der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien an, die zum Jahrestag nach Thorenburg reiste und die deutschsprachige evangelisch-lutherische Kirche in Siebenbürgen bzw. in Rumänien vertrat. Im Folgenden ist das zu diesem denkwürdigen Ereignis verfasste geistliche Wort von Bischof Guib nachzulesen:

"Hochwürdige Herren Erzbischöfe und Bischöfe, Exzellenzen, ehrwürdige Dechanten und Pfarrer, verehrte hochrangige Vertreter der EU, Rumäniens und Ungarns, der kirchlichen und politischen Landes-, Kreis- und Lokalgemeinden, liebe Schwestern und Brüder in Christus!

Im Namen der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien danke ich Ihnen allen und insbesondere der Unitarischen Kirche als Organisator und der Katholischen Kirche als Gastgeber für die Einladung nach Thorenburg. Am 15. Oktober 2016 begannen wir gerade hier in der Römisch-Katholischen Kirche zu Thorenburg die Gedenkreihe zum 500. Jubiläum der Reformation in unserem Land. Wir feierten hier an dieser historisch bedeutenden Stätte mit den höchsten Vertretern der sieben historischen Kirchen Siebenbürgens, die auch heute anwesend sind, einen gemeinsamen Gottesdienst. Wir pflanzten ein Apfelbäumchen im Hof der Reformierten Kirche und sprachen ein klares Wort. Das Wort Martin Luthers: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“ bewegte uns ein Zeichen der Hoffnung zu setzen, in trüben Zeiten für Europa und die Welt.       

Heute nun stehen wir wieder an diesem historisch relevanten Ort, 450 Jahre nach dem Landtag in Thorenburg, der das Tor der Toleranz, der Religions- und Meinungsfreiheit für alle Konfessionen in Siebenbürgen stark aufstieß. Zum ersten Mal in so klarer, einschließender und einladender Weise in Europa. Auch wenn dieser Landtagsbeschluss damals vom siebenbürgischen Fürsten vorgegeben war haben unsere Kirchen und Völker sich im Großen daran gehalten und besonders nach der Wende im 20. und 21. Jahrhundert Schritte der Annäherung aufeinander zu getan. Die 'Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre' und das Dokument 'Vom Konflikt zur Gemeinschaft' sowie das gemeinsame Feiern des Reformationsjubiläums als Christusfest zeigen dass unsere protestantischen Kirchen und die Katholische Kirche in vielen Fragen zusammengehen und uns mehr verbindet als trennt. Wir schätzen die gute Zusammenarbeit an der Basis sehr. Im Land sind wir im Rat der Glaubensgemeinschaften mit ihnen sowie mit der Orthodoxen Kirche und mit ihr auch im sozialen ökumenischen Verein AIDROM verbunden. Mit den anderen Protestantischen Kirchen zusätzlich im Hilfswerk 'Gustav Adolf'.  Und in einer Woche begehen wir, wie alle Jahre wieder, die Ökumenische Gebetswoche für die Einheit der Christen gemeinsam. Für all das was seit 450 Jahren an ökumenischem und gemeinschaftlichem Geist und christlichen Sinn gewachsen ist sind wir dankbar und unser Dank und Lob geht zu Gott dem Herrn. Aus dieser Dankbarkeit heraus dürfen wir heute feiern.

Wir sind auch heute als Vertreter unserer Kirchen hier, frei und ungezwungen, um uns und der ganzen Welt zu bezeugen, dass nichts über der Meinungs- und Religionsfreiheit für Menschen und Kirchen stehen kann. Sie sind unaufgebbar heute wie damals vor 450 Jahren. Dieses hohe Gut der Freiheit ist in einer Welt der rapiden Veränderungen sowie nationalistischen, und populistischen, antidemokratischen und illiberalen Töne aber nicht mehr selbstverständlich. Es muss immer wieder neu gesagt und dafür eingestanden werden. Besonders wenn totalitäre Systeme drohen sich in Rumänien und Ungarn, in das christliche Europa und die Welt Gottes einzunisten. Das war mit ein Grund das Jahr 2018 in der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien als Jahr der Evangelischen Freiheit auszurufen.

Wir vergessen, wenn wir von Freiheit sprechen, viel zu schnell, dass Freiheit zusammengeht mit Verantwortung. Ohne Verantwortung und Einsatz für das Gemeinwohl zur Ehre Gottes wird Freiheit zu einer individuellen Beliebigkeit, profillos und rücksichtslos, ja für Andere zum Anstoß und Ärgernis und führt zu Exzessen.

Im Römerbrief im 3. Kapitel schrieb der Apostel Paulus, Vers. 22-24: 'Denn es ist hier kein Unterschied: Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.'

Liebe Gedenkgemeinde, wir sind seit 450 Jahren auf dem Weg. Vom Gegeneinander übers Nebeneinander zum Miteinander zu Gott. Lasst uns in ökumenischer Gemeinschaft und in Verantwortung vor Gott miteinander weitergehen,    dass Transilvania, Erdély, Siebenbürgen zum Land des Segens wird und mit ihm Rumänien und Ungarn, Europa und die Welt. Gott schenke uns seinen Segen dafür.

Amen."