In Jesu Nachfolge: 30 Jahre Ordination der Frauen in der EKR


Mihaela Miroiu (Bild: commons.wikimedia.org / "Nm and")

Meiner Lesart gemäß hebt Jesus Christus, - Mensch gewordener Gott und Gott gewordener Mensch - die Trennung auf zwischen Transzendenz und Immanenz, zwischen Gott und Welt, zwischen Gott und Mensch. Folglich ist nichts an sich schlecht oder sündig. Und was Sünde ist erfahren wir in den Evangelien.

Christus behandelt uns alle als seine Brüder und Schwestern, wir sind seine Geschwister in unserem Menschsein. Und Christus wurde auf seinem Weg auf der Erde auch von Frauen begleitet. Er hat keine Doppelmoral angewandt. Er behandelte die Frauen nicht als unreiner, uneinsichtiger und geistlich unbedarfter als Männer. Ganz im Gegenteil. Und die Frauen folgten ihm unerschütterlich, bis zum Kreuz, selbst als er von fast allen Jüngern verlassen wurde. Die Frauen waren die ersten Zeuginnen der Auferstehung. Jesus hat sie nie verstoßen, auch dann nicht, wenn sie nach den Schriften des Alten Testamentes als unrein galten.

Die gesamte Lehre Jesu ist durchdrungen von dem, was wir im heutigen Sprachgebrauch als Ethik der Fürsorge bezeichnen würden, die insbesondere den Frauen zugeschrieben wird. Das zweite Gebot Jesu verweist ausdrücklich auf die Selbstliebe (Selbstachtung, Selbstwertgefühl) als Quelle der Nächstenliebe, die der lebendige Beweis für die Liebe zu Gott ist. Wie sich die Nächstenliebe (zu jedem Nächsten, zu jeder Nächsten auch) äußert, wissen wir zum Beispiel aus den Gleichnissen, aus der Bergpredigt: Es ist keineswegs nur eine abstrakte Liebe. Es ist eine Liebe zu den Mitmenschen und zur lebendigen Kreatur mit ihren Nöten und Leiden.

Eine solche Lehre kann und sollte auch von Frauen gepredigt werden, und zwar mit einem besonders einfühlsamen Verständnis, denn sie sind sowohl Gebärende als auch Bewahrende des Lebens. Ich habe es nur einmal erlebt, dass eine Pfarrerin in einer anglikanischen Kirche (in Oxford) gepredigt hat. Ich habe diesen Moment mit einer Leuchtkraft erlebt, die ich mit keiner anderen Erfahrung vergleichen kann. Ich spürte die Stimme des Herrn plötzlich auch in mir. Als Stimme einer Frau. Das hat mich tief erschüttert. Ich musste weinen. Es waren meine glücklichsten Tränen.

Die christliche Nächstenliebe mit ihrem universellen Anspruch (der Respekt vor dem gemeinsamen Menschsein in jedem Menschen) ist philosophisch übertragen worden in die Philosophie der Universellen Menschenrechte und politisch in den liberalen Demokratien. Ursprünglich wurden Frauen  auch im säkularen Bereich über viel zu lange Zeitläufte nicht als vollwertige Menschen, als vollwertige Vernunftwesen betrachtet (siehe die klassische Tradition der Aufklärung). Folglich hatten sie (mit kleinen Ausnahmen) in Kultur, Gesellschaft und Politik keine Stimme. Erst im letzten Jahrhundert wurde dieser Zustand - ein Zustand, der jede Frau  entwürdigte und die Menschheit um ein wichtiges Potential brachte -  zunehmend in Frage gestellt und abgeschafft.

Die Kirche tut gut daran, selbst etwas gegen die Herabwürdigung von Frauen zu tun. Die letzten dreißig Jahre in der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien sind ein gutes Beispiel. Es ist an der Zeit, dass die christlichen Kirchen die Frauen voll und ganz anerkennen und achten, so wie Christus es getan hat.

Mihaela Miroiu, Politologin und Philosophin

Übersetzung aus dem Rumänischen: Elfriede Dörr